Generalstreik gegen Sparpläne legt Portugal lahm
Lissabon (dpa) - Geisterflughäfen, schimpfende Touristen, Müll auf den Straßen, geschlossene U-Bahnstationen und Schulen. Mit einem der größten Generalstreiks der vergangenen Jahrzehnte und vielen Kundgebungen haben Tausende im hochverschuldeten Portugal gegen die Sparpläne der Regierung protestiert.
Der eintägige Ausstand legte das ärmste Land Westeuropas am Donnerstag in weiten Teilen lahm. Auch in der Volkswagen-Fabrik Autoeuropa, dem zweitgrößten Exporteur Portugals, standen in Palmela südlich von Lissabon die Bänder still. In Lissabon und Porto gab es Verkehrschaos.
Damit nicht genug: Die Ratingagentur Fitch senkte die Kreditwürdigkeit Portugals auf Ramsch-Niveau - ein weiterer Rückschlag für die neoliberal-konservative Regierung von Ministerpräsident Pedro Passos Coelho. Die Instabilität der internationalen Märkte sei schuld, beteuerte die Regierung. Die größte Oppositionskraft, die Sozialistische Partei (PS), bezeichnete die Abwertung hingegen als „neuen Schlag in den Magen der Portugiesen“.
Die Gewerkschaften feierten unterdessen einen „noch nie dagewesenen Erfolg“. Nach 1988 und 2010 war dies erst der dritte gemeinsame Streik der beiden wichtigsten Gewerkschaftsdachverbände - des CGTP und des UGT. „In Portugal hatte es noch nie einen Streik gegeben, bei dem so viele Sektoren mitgemacht haben“, sagte Manuel Carvalho da Silva, Chef des 750 000 Mitglieder starken CGTP, am Abend vor Tausenden von Menschen vor dem Parlamentsgebäude in Lissabon. Zuvor hatte Carvalho den Streik als klare Botschaft an die Regierung bezeichnet, der „Ausbeutung und Verarmung“ ein Ende zu setzen.
Tausende Menschen marschierten nachmittags durch das Zentrum von Lissabon und skandierten: „Das vereinte Volk wird niemals besiegt werden“. Vor dem Parlament kam es frühen Abend zu Zusammenstößen zwischen Demonstranten und Sondereinheiten der Polizei. Einige Menschen präsentierten den TV-Kameras ihre blutenden Wunden. Laut Medien wurden mindestens drei Demonstranten festgenommen.
Der Ausstand traf auch zahlreiche Urlauber aus Deutschland und anderen Ländern. „Das ist verrückt“, schimpfte ein niederländischer Tourist im Fernsehen. Um die Heimflüge zahlreicher Gruppen zu ermöglichen, wurden Hunderte Passagiere mit Privat-Bussen von Südportugal ins 200 Kilometer entfernte Sevilla nach Spanien gefahren.
Nach Angaben der Luftfahrtbehörden wurden nur die Atlantikinseln Azoren und Madeira angeflogen. Der öffentliche Verkehr wurde stark beeinträchtigt, fast alle Züge, Busse und Fähren blieben stehen. Die Müllabfuhr und die Postverteilung kamen laut Medien völlig zum Erliegen. In den Krankenhäusern wurden oft nur Notfälle aufgenommen.
Der Generalstreik fand sechs Tage vor der geplanten Verabschiedung des umstrittenen Sparhaushalts 2012 statt. Nächstes Jahr sollen unter anderem die Ausgaben für Gesundheit und Bildung um zehn Prozent gesenkt werden. Den Bediensteten und Rentnern des Staates, die mehr als 1000 Euro beziehen, soll das 13. und 14. Gehalt gestrichen werden.
Als Gegenleistung für das 78 Milliarden Euro schwere Hilfspaket der EU und des Internationalen Währungsfonds (IWF) muss Portugal in diesem Jahr das Haushaltsdefizit von 9,8 Prozent (2010) auf 5,9 Prozent senken. Das Ziel für 2012 beträgt 4,5 Prozent. Infolge dieser Bemühungen wird die Wirtschaft des Landes nach jüngster Schätzung der Regierung dieses Jahr um 1,6 und 2012 um 3,0 Prozent schrumpfen.