Geplante Bankenabwicklung in Europa weiter strittig

Vilnius (dpa) - Die Europäische Zentralbank (EZB) und Deutschland bleiben bei den geplanten Regeln zur Abwicklung maroder Banken auf Konfrontationskurs. EZB-Direktor Jörg Asmussen hält ein gemeinsames System samt Abwicklungsfonds als Teil der Bankenunion auf Basis der EU-Verträge für machbar.

„Artikel 114 ist eine solide und robuste Rechtsgrundlage“, sagte Asmussen am Freitag im litauischen Vilnius. Nach einem Treffen der Euro-Gruppe forderte er, die Arbeiten an dem Abwicklungsregime zügig voranzutreiben. „Jetzt können und sollten wir bei diesem Schlüsselelement vorankommen“.

Nach Angaben von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) steht Deutschland mit seinen Bedenken aber nicht allein da. Er wies Meldungen zurück, wonach Deutschland isoliert sei: „Das hat sich heute als nicht zutreffend herausgestellt.“ Es seien unterschiedliche Meinungen sichtbar geworden. Aus Diplomatenkreisen verlautete, etwa die Hälfte der Euro-Länder sehe Probleme.

Die EU-Kommission hatte bei dem informellen Ministertreffen ihren Vorschlag für einen europäischen Abwicklungsmechanismus vorgelegt. Der juristische Dienst des EU-Rates hält diesen auf Basis des Artikels 114 des Vertrages über die Arbeitsweise der EU (AEUV) für möglich. Allerdings dürfe die Budgethoheit nationaler Parlamente nicht ausgehebelt werden, schränken die Juristen auch ein.

Schäuble sprach sich für eine rasche Lösung aus: „Wir wollen ja möglichst schnell einen effizienten Mechanismus, weil die Bankenunion so rasch wie möglich vorangetrieben werden muss.“ Es müsse jetzt eine Lösung geben, die zweifelsfrei im Rahmen der Verträge sei: „Und wenn man einen noch effizienteren Mechanismus will, muss man eine begrenzte Vertragsänderung machen. Das braucht ein paar Monate Zeit.“

Der deutsche Finanzminister plädierte erneut für eine Zwei-Stufen-Lösung: In einem ersten Schritt sollte zeitweise eine Art Agentur beziehungsweise Netzwerk nationaler Behörden mit nationalen Restrukturierungsfonds errichtet werden: „Das kann funktionieren für eine Übergangszeit.“ So schnell wie möglich sollte eine begrenzte Vetragsänderung angegangen werden. In Berlin stoßen auch EU-Pläne auf Widerstand, wonach Brüssel das letzte Wort bei einer Banken-Schließung hätte.

Asmussen betonte, ein gemeinsames Abwicklungssystem und ein gemeinsamer Abwicklungsfonds seien nötig - bis 1. Januar 2015: „Da ist keine Zeit zu verlieren.“ Sollte dem Abwicklungsfonds Geld fehlen, könnte der Rettungsfonds ESM Geld vorstrecken - als Absicherung, solange der Fonds noch nicht ausreichend gefüllt ist durch Abgaben der Banken. In dieser Zeit könnte der ESM dem Abwicklungsfonds Geld leihen, dass später zurückgezahlt werde.

Die EZB soll ab Herbst 2014 die Aufsicht über die 130 größten Banken in der Währungsunion übernehmen. Asmussen sagte: „Wir können das Vorhaben bis zum Herbst nächsten Jahres schaffen. Das ist ein ehrgeiziger Fahrplan, aber ein machbarer.“ Ohne Abwicklungsregime wackelt die Aufsicht. Eine arbeitsfähige Aufsicht ist Voraussetzung, dass der Rettungsfonds ESM künftig maroden Banken direkt helfen kann. Bevor die EZB die Bankenaufsicht übernimmt, will sie rigoros die Bilanzen der von ihr überwachten Institute prüfen. Vor den Tests soll klar sein, was bei möglichem Kapitalbedarf passiert. Asmussen sagte, die Prüfkriterien müssten strikt und robust sein. Es könne sein, dass nach den Stresstests weiteres Kapital für Banken nötig werde. Dies müsse zuerst von privaten Geldgebern kommen. Mit Blick auf die vorangegangene Banken-Stresstests sagte Asmussen: „Das ist die dritte und möglicherweise letzte Chance für mehr Transparenz.“