Minister befangen Geplatzte Edeka-Kaiser's Fusion: Sorge um Jobs wächst
Düsseldorf (dpa) - Die Übernahme der rund 450 Supermärkte von Kaisers's Tengelmann durch Edeka rückt in weite Ferne. Das Oberlandesgericht Düsseldorf stoppte am Dienstag vorläufig die Ministererlaubnis für die Fusion der Kette mit dem Marktführer.
Der Erste Kartellsenat bewertete die Ausnahmegenehmigung von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) in einer vorläufigen Prüfung im Eilverfahren als rechtswidrig.
Es habe bei einigen Beteiligten der Eindruck entstehen müssen, dass der Minister bei seiner Entscheidung befangen gewesen sei, heißt es im Beschluss (Az.: OLG Düsseldorf, VI - Kart 3/16 (V)). Geklagt hatten die Edeka-Konkurrenten Rewe und Markant.
Tengelmann-Chef Karl-Erivan Haub reagierte mit „großer Bestürzung“ auf die Entscheidung. „Wir bedauern diese Wendung im Ministererlaubnisverfahren außerordentlich, insbesondere mit Blick auf unsere knapp 16 000 Mitarbeiter bei Kaiser's Tengelmann“, erklärte Haub. Nach Einschätzung von Kartellrechtlern kann sich durch die Entscheidung der geplante Zusammenschluss um Jahre verzögern. Damit droht den Plänen möglicherweise das Aus. Die Gewerkschaft Verdi kritisierte die Gerichtsentscheidung und warnte vor massiven Arbeitsplatzverlusten.
Auch im Bundeswirtschaftsministerium stieß der Beschluss der Düsseldorfer Richter auf scharfe Kritik. Die Behörde wies den Befangenheitsvorwurf gegen Gabriel zurück.
Nach Auffassung der Richter hätte Gabriel über die Erteilung der Erlaubnis nicht entscheiden dürfen. Der Minister habe in der entscheidenden Phase des Erlaubnisverfahrens mit Edeka und Kaiser's Tengelmann geheime Gespräche geführt, betonte der Senat. Gleich zweimal habe es im Dezember 2015 „Sechs-Augen-Gespräche“ zwischen Gabriel, dem Edeka-Chef Markus Mosa und dem Kaiser's-Tengelmann-Eigentümer Karl-Erivan Haub gegeben. Für die anderen Verfahrensbeteiligten müsse sich hier der Eindruck aufdrängen, dass der Minister das Verfahren nicht mehr neutral und objektiv, sondern einseitig zugunsten von Edeka und Kaiser's Tengelmann geführt habe.
Auch Gabriels Kernargument, dass durch die Ministererlaubnis die Sicherung von rund 16 000 Arbeitsplätzen gewährleistet werde, überzeugte die Richter nicht. Der Minister habe nämlich in seinen Überlegungen nicht die Frage einbezogen, ob und in welchem Umfang fusionsbedingt bei Edeka mit einem Personalabbau zu rechnen sei.
Das Bundeswirtschaftministerium widersprach allerdings heftig. „Die vom Gericht behauptete Befangenheit wurde von keinem Verfahrensbeteiligten zu keinem Zeitpunkt vorgetragen.“ Die von Gabriel mit den Antragsstellern geführten Gespräche seien „üblich, möglich und zulässig“ gewesen. Das Ministerium prüft nun das Urteil und will dann entscheiden, ob es juristisch dagegen vorgeht. Auch Edeka kündigte an, die rechtlichen Möglichkeiten zu prüfen.
Die Entscheidung des Oberlandesgerichts ist noch nicht rechtskräftig. Der Senat ließ zwar keine Rechtsbeschwerde beim Bundesgerichtshof zu. Doch bleibt den Verfahrensbeteiligten die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde.
Der Konkurrent Rewe begrüßte die Entscheidung. Edeka und Kaiser's Tengelmann hätten bei dem Fusionsvorhaben von Anfang an auf einen Weg der Konfrontation mit Wettbewerbshütern und Gewerkschaften gesetzt und eine Ministererlaubnis erzwingen wollen. „Dass diese in Form und Inhalt zweifelhafte Ministererlaubnis nun nicht vollzogen werden kann, ist eine logische Folge dieser Brachialstrategie“, sagte ein Rewe-Sprecher.
Gabriel hatte Deutschlands größtem Lebensmittelhändler Edeka im März unter massiven Auflagen grünes Licht für den umstrittenen Zusammenschluss gegeben. Edeka musste im Gegenzug unter anderem den Erhalt von knapp 16 000 Jobs bei Kaiser's Tengelmann für mindestens sieben Jahre garantieren.
Mit seiner Sondergenehmigung hebelte Gabriel ein Verbot des Bundeskartellamts aus. Die Wettbewerbshüter fürchteten, dass durch den Zusammenschluss der Wettbewerb im deutschen Lebensmittelhandel weiter eingeschränkt werden könnte. Edeka, Rewe, die Schwarz-Gruppe (Lidl, Kaufland) und Aldi beherrschen zusammen 85 Prozent des Markts.