Gericht zwingt zu mehr Lärmschutz am Hauptstadtflughafen
Potsdam/Berlin (dpa) - Am neuen Hauptstadtflughafen drohen weitere Mehrkosten in Millionenhöhe. Grund ist ein Gerichtsurteil, das von den Betreibern mehr Lärmschutz für die Anwohner fordert.
„Wir haben mit dem Urteil eine neue Rechtslage“, sagte Brandenburgs Verkehrsminister Jörg Vogelsänger (SPD) am Freitag. Die voraussichtlichen Mehrkosten seien aber noch nicht zu beziffern.
Tags zuvor hatte das Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg entschieden, dass der Flughafen die Schallschutz-Vorgaben des Planfeststellungsbeschlusses systematisch verfehlt habe und erhebliche Nachbesserungen gefordert.
Vogelsänger sagte, um die konkrete Konsequenzen abschätzen zu können, müsse die schriftliche Urteilsbegründung abgewartet werden. Das OVG hatte das Ministerium als Aufsichtsbehörde verurteilt, den Flughafen zu dem besseren Schallschutz zu drängen. Ähnlich wie Vogelsänger äußerte sich das Bundesverkehrsministerium. „Dass es nicht preiswerter wird, ist klar“, fügte ein Sprecher hinzu.
Nach dem Richterspruch darf Fluglärm die normale Gesprächslautstärke von 55 Dezibel in den 14 000 betroffenen Wohnungen tagsüber nicht überschreiten. Das Schallschutzprogramm des Flughafens ist damit zu klein bemessen. Es war ursprünglich auf sechs mögliche Überschreitungen pro Tag angelegt und umfasste 139 Millionen Euro.
Nun könnten die Gesamtkosten nach früheren Schätzungen des Aufsichtsrats auf bis zu 730 Millionen Euro steigen, die zum Teil nicht durch den bisherigen Kostenrahmen von 4,3 Milliarden Euro für das Gesamtprojekt gedeckt sind. Für Brandenburg könnte der Kostenanstieg einen Nachtragshaushalt bedeuten, wie der Landtagsfraktionschef der mitregierenden Linken, Christian Görke, der „Lausitzer Rundschau“ (Samstag) sagte.
Vogelsänger deutete an, sich damit abzufinden, dass das Gericht eine Revision nicht zuließ. „Es spricht vieles dafür, den Streit nicht weiterzuführen, sondern auf die Anwohner zuzugehen.“ Das Ministerium hatte schon im vergangenen Sommer eine strengere Maßgabe für den Schallschutz verfügt. Die 55-Dezibel durfte demnach durchschnittlich weniger als 0,5 Mal am Tag überschritten werden. Schon dies hätte ein sehr hohes Schutzniveau bedeutet, wie es sonst nirgendwo in Deutschland herrsche, sagte Vogelsänger. „Das OVG ist anderer Meinung.“
Die Regelung, wonach Anwohnern eine Entschädigung zu zahlen ist, wenn die Kosten für ihren Schallschutz-Anspruch 30 Prozent des Verkehrswertes ihres Hauses überschreiten, ist Vogelsänger zufolge Bestandteil des Planfeststellungsbeschlusses. Es gebe keine Bestrebungen, dies „zulasten der Bürger“ zu ändern, ergänzte Brandenburgs Flughafen-Koordinator Rainer Bretschneider.
Wann der Airport in Schönefeld eröffnet werden kann, ist noch völlig unklar. Vier Starttermine sind wegen Technikproblemen, Fehlplanungen und Baumängeln schon geplatzt.