Gewinn verdreifacht: Volkswagen dreht weiter auf

Wolfsburg (dpa) - Die Gewinne beim größten europäischen Autobauer VW sprudeln weiter. Dank der guten Autokonjunktur hat der Konzern im ersten Halbjahr noch einmal deutlich zulegen können.

Unterm Strich standen Ende Juni knapp 6,5 Milliarden Euro - nach 1,8 Milliarden in den ersten sechs Monaten 2010. Der Umsatz stieg um über ein Viertel auf 77,8 Milliarden Euro, teilte VW am Donnerstag in Wolfsburg mit.

In der ersten Hälfte dieses Jahres wurden weltweit mehr als vier Millionen Autos verkauft - ein sattes Plus von 14,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. An der Börse fielen die VW-Aktien dennoch ans Dax-Ende. Zeitweilig verloren die Titel über 6 Prozent, weil positive Überraschungen aus Sicht vieler Anleger ausblieben.

Im Gesamtjahr will Volkswagen über acht Millionen Autos an die Kunden bringen und damit zum bisherigen Spitzenduo von Toyota und General Motors aufschließen. Bis zum Dezember sieht der Vorstand zwar Risiken und eine etwas schwächere Entwicklung. Dennoch geht er davon aus, dass die abschließenden Zahlen über dem Vorjahresniveau liegen. VW-Chef Martin Winterkorn bekräftigte: „Volkswagen ist robust genug, um auf der Überholspur bleiben zu können.“

Die anhaltend hohe Nachfrage in wichtigen Märkten gebe dem Konzern Rückenwind, erklärte Winterkorn. Allein aus dem China-Geschäft flossen VW Gewinne von 1,2 Milliarden Euro zu, die extra ausgewiesen werden und im operativen Ergebnis noch nicht enthalten sind. In China, Indien, Nord- und Südamerika erwartet VW weitere Zuwächse. In Europa würden aber die Schuldenkrise und das Ende der Abwrackprämien die Nachfrage belasten. Insgesamt erforderten die kommenden Monate Anstrengungen, um das hohe Niveau zu halten, sagte Winterkorn.

Finanzchef Hans Dieter Pötsch betonte, neben dem Absatz trieben auch geringere Produktkosten die Profite. Die Produktion soll durch die Weiterentwicklung des Baukastensystems mit gleichen Teilen für verschiedene Konzernmarken günstiger werden. Die Kasse des Autoriesen blieb gut gefüllt: Die flüssigen Mittel lagen trotz mehrerer Zukäufe mit 19,4 Milliarden Euro um 0,8 Milliarden über dem Stand Ende 2010.

Zu dem hohen Überschuss steuerte die Neubewertung der Kaufoption für die restlichen Anteile des Stuttgarter Sportwagenbauers Porsche einen wichtigen Beitrag bei. Das Ziel, bis zum Ende dieses Jahres eine Fusion zu erreichen, bleibe bestehen, sagte Pötsch in einer Telefonkonferenz mit Analysten: „Die Vorbereitungen laufen weiter nach Plan.“ Steuerliche und juristische Hürden seien aber noch nicht ausgeräumt. Im September würden weitere Entscheidungen erwartet.

Das operative Ergebnis konnte der Konzern im ersten Halbjahr von 2,8 auf 6,1 Milliarden Euro mehr als verdoppeln. Auf die Kernmarke VW entfielen 2,1 Milliarden Euro, nach einer Milliarde im Vorjahr. Polo, Golf, Tiguan, Passat und Co. fanden über zwei Millionen Käufer.

Der Mammutanteil am Ergebnis kam erneut von der Premiummarke Audi, die ihren Absatz um 15,3 Prozent auf 762 000 Autos steigerte. Sie verdiente damit operativ 2,5 Milliarden Euro, mehr als doppelt so viel wie im Vorjahr. Die größeren und teureren Audis finden vor allem bei den „neuen Reichen“ in China reißenden Absatz.

Spekulationen um eine Aufstockung der VW-Anteile beim chinesischen Partner FAW wollte Pötsch nicht kommentieren: „Wir haben eine langjährige Beziehung. Diese hängt nicht wirklich davon ab, wie hoch unser Anteile dort sind.“ Bei der Zusammenarbeit mit dem japanischen Kleinwagenbauer Suzuki gehe es dagegen langsamer voran als erwartet. Die Wolfsburger hätten dazu einen Prüfprozess angestoßen, hieß es.

Ein immer größerer Teil des Wachstums kommt laut Vertriebsvorstand Christian Klingler auch aus Indien und Russland. In einigen Regionen erwäge VW, die Lager aufzustocken, um die Lieferzeiten einiger Modelle unter die Frist von drei bis sechs Monaten zu drücken. Insgesamt erholt sich auch das Segment der Luxusfahrzeuge: Die VW-Tochter Bentley legte um 42,2 Prozent auf rund 3000 Fahrzeuge zu und verringerte den operativen Verlust von 109 auf 17 Millionen Euro.

Die tschechische Tochter Škoda blieb auf der Erfolgsspur. Bei einem um 21,3 Prozent auf 362 000 Autos gewachsenen Absatz verdiente sie 412 Millionen Euro, nach 227 Millionen im Vergleichszeitraum. Die spanische Marke Seat legte leicht zu und reduzierte ihren Verlust von 157 Millionen auf 48 Millionen Euro. „Die Rückgänge der Märkte in Spanien und Italien liegen vor allem daran, dass alle staatlichen Fördermaßnahmen nun ausgelaufen sind“, erklärte Klingler.

Die gute Konjunktur ließ auch den Absatz der Nutzfahrzeug-Sparte um 36,9 Prozent auf 218 000 Fahrzeuge steigen, VW verdiente hier 235 Millionen Euro. Bei den schwedischen Lkw-Bauern von Scania nahmen die Verkäufe um 42,3 Prozent auf rund 40 000 Fahrzeuge zu, das operative Ergebnis stieg um 28,8 Prozent auf 743 Millionen Euro.

Wie die Struktur des Lkw-Geschäfts nach der Übernahme des Scania-Konkurrenten MAN aussieht, ließ Pötsch offen. Zunächst müsse die Entscheidung der EU-Kommission abgewartet werden, mit der sich VW „eng koordiniere“. Man rechne mit einem Ergebnis bis zum Jahresende.

Niedersachsens Ministerpräsident David McAllister, der das Land im Aufsichtsrat vertritt, nannte die Halbjahreszahlen des Konzerns „mehr als beeindruckend“. Wenn VW so weiter mache, könne das Ziel, bis spätestens 2018 zum größten Autobauer der Welt aufzusteigen, durchaus erreicht werden: „Volkswagen fährt der Konkurrenz weiter davon.“