Griechenland-Krise: Streit um Umschuldung
Berlin/Athen/Brüssel (dpa) - Die Fronten im Griechenland-Drama verhärten sich: Die Politik will die Banken mit ins Rettungsboot holen, die Bereitschaft scheint aber gering. Auch Athen ist skeptisch.
Der griechische Premier Giorgos Papandreou wehrt sich gegen den vor allem von Deutschland vertretenen Plan, private Gläubiger wie Banken und Versicherungen bei einer Umschuldung des Krisenlandes in die Pflicht zu nehmen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) warnte, die Schuldenkrise im Euroraum drohe den Aufschwung in Deutschland zu gefährden. Europas Währungshüter lehnen eine weitere Belastung der Zentralbank ab. Die Politik sei nun gefordert, sagte Bundesbankpräsident Jens Weidmann.
Auf einem Krisentreffen wollen die Finanzminister des Eurogebiets an diesem Dienstag die Rettung Griechenlands vor der drohenden Staatspleite beraten. Wie Diplomaten am Pfingstmontag in Brüssel berichteten, planen die obersten Kassenhüter eine gemeinsame Erklärung, in der sie ihre Unterstützung für den Schuldensünder bekräftigen wollen. Es soll demnach alles getan werden, um die Stabilität des gemeinsamen Währungsgebiets zu sichern.
Umstritten bei einem neuen Rettungspaket für Athen ist die Einbindung von privaten Gläubigern wie Banken und Versicherungen. Die Europäische Zentralbank (EZB) befürchtet, dass eine Stundung von griechischen Schulden - dies würde die Bankenbeteiligung bedeuten - von den Ratingagenturen als ein Zahlungsausfall gesehen würde und das Land damit als pleite gelte. Das will die EZB auf jeden Fall verhindern, denn sie befürchtet enorme Risiken auf den Finanzmärkten und für andere angeschlagene Euroländer, wie Portugal oder Irland.
Europäische Spitzenpolitiker wollen das krisengeschüttelte Mittelmeerland aber nicht fallenzulassen. Bei den Beratungen in Brüssel geht es um ein neues Paket für Athen, das einen Umfang von 90 Milliarden Euro bis 120 Milliarden Euro haben, vereinzelt ist auch von 80 Milliarden Euro die Rede, wobei Athen zusätzlichen harten Einsparungen und umfangreichen Privatisierungen durchsetzen müsste. Mit abschließenden Entscheidungen der Kassenhüter wird am Dienstag noch nicht gerechnet.
Denn weitere Etappen sind die für den 20. Juni geplante Zusammenkunft in Luxemburg und der Gipfel der EU-Staats- und Regierungschefs in Brüssel am 23. und 24. Juni. Das neue Programm soll spätestens bis Monatsende stehen - es ist eine Vorbedingung für die Auszahlung einer Tranche von 12 Milliarden Euro aus dem seit 2010 laufenden ersten Hilfsprogramm von 110 Milliarden Euro für Griechenland. Athen braucht das Geld dringend, denn sonst kann das hoch verschuldete Land Kredite nicht zuzurückzahlen und Staatsbediensteten Löhne und Gehälter nicht mehr zahlen.
Merkel warnte in ihrem Video-Podcast vom Samstag: „Wir dürfen nichts tun, was den Aufschwung weltweit insgesamt in Gefahr bringt und dann auch in Deutschland wieder in Gefahr bringen würde.“ Sie verwies auf den Bankrott von Lehman Brothers. Als Folge sei die deutsche Wirtschaft 2009 eingebrochen. So etwas müsse unbedingt verhindert werden.
In der Debatte ist eine „weiche“ Umschuldung Griechenlands, wie sie Eurogruppen-Chef Jean-Claude Juncker und Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) wollen. Nach dem Schäuble-Modell sollen Banken alte griechische Staatsanleihen gegen neue mit längerer Laufzeit von sieben Jahren umtauschen. Der griechische Ministerpräsident Papandreou dagegen sagte der Athener Sonntagszeitung „To Vima“, die Idee einer Gläubiger-Beteiligung sei zwar „in der Theorie richtig“. Sie habe aber bislang das Gegenteil bewirkt, die Märkte seien nervöser geworden. Wegen der harten Sparmaßnahmen brach die regierende sozialistische Partei Papandreous nach einer Umfrage in der Gunst der Wähler ein.
Commerzbank-Chef Martin Blessing zeigte sich in einem Interview mit der „Welt am Sonntag“ skeptisch: Es trage nicht zum Vertrauen der Märkte bei, wenn die Zusicherung, dass bis 2013 kein Gläubiger zur Sanierung Athens herangezogen werde, nicht mehr gelte.
Juncker sagte im RBB-Inforadio, es werde eine „sanfte, freiwillige“ Umschuldung geben müssen. Für eine Einbeziehung privater Gläubiger müsse aber die Europäische Zentralbank (EZB) ins Boot geholt werden. Bundesbankpräsident Weidmann, im EZB-Rat vertreten, warnte vor Folgen für die Notenbanken: „Ein vermutlich vergleichsweise kleiner Beitrag der Privaten würde mit Ansteckungsgefahren und einer höheren Risikoübernahme der Notenbanken erkauft. Dagegen wehren wir uns.“ Aus Sicht der EZB ist es notwendig, dass die privaten Anleihebesitzer sich komplett freiwillig für einen Zahlungsaufschub Athens entscheiden.
Weidmann machte klar, dass die EZB, die nach Medienberichten bereits für 45 bis 50 Milliarden Euro griechische Staatsanleihen gekauft hat, keine Anleihen Athens mehr übernehmen wird. „Eine Beteiligung der Notenbanken an den Lasten und Risiken lehnen wir ab.“ Notfalls werde die EZB auch eine Staatspleite in Kauf nehmen. Der Euro werde aber auch in diesem Fall stabil bleiben.