Grüne Woche startet in Berlin
Berlin (dpa) - Die Ernährungsbranche präsentiert ihre Leistungsfähigkeit in Berlin. Für die Politik ist die Grüne Woche eine passende Bühne, um auf den weltweiten Hunger und Tierschutzprobleme aufmerksam zu machen.
Zum Auftakt der Grünen Woche in Berlin strömten am Freitag tausende Besucher durch die Hallen, um Spezialitäten von fünf Kontinenten zu kosten und sich über die Lebensmittelproduktion zu informieren. Zugleich mahnte Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU), den Kampf gegen Hunger in Entwicklungsländern als Verpflichtung zu begreifen. Die Welternährung ist an diesem Samstag Thema einer internationalen Ministerkonferenz. Bei der Leitmesse der Agrarbranche präsentieren sich bis 29. Januar mehr als 1600 Aussteller aus knapp 60 Ländern.
Die Grüne Woche steht auch unter dem Eindruck einer Debatte über besseren Tierschutz und einen sparsameren Umgang mit den natürlichen Ressourcen. Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen wollen bundesweit große Tiermastanlagen außerhalb der Dörfer verhindern. „Wir fürchten, dass das aus dem Ruder läuft“, sagte NRW-Agrarminister Johannes Remmel (Grüne) in Berlin. Mit seiner Mainzer Kollegin Ulrike Höfken (Grüne) will er über den Bundesrat die Zahl der Tiere in solchen Ställen stärker begrenzen und den Gemeinden bei der Planung mehr Mitsprache ermöglichen. Der Bauernverband hatte schon Widerstand gegen Eingriffe ins Baurecht angekündigt.
EU-Verbraucherkommissar John Dalli forderte, europaweit den Antibiotika-Einsatz in der Tiermast einzudämmen. „Bauern sind zu großzügig mit Antibiotika, wir müssen daran wirklich arbeiten.“ In einigen Ländern dürften die Arzneien noch immer verabreicht werden, ohne einen Tierarzt hinzuzuziehen. Dalli kritisierte außerdem die Praxis, sie ins Futter der Tiere zu mischen. Er hoffe auf neue Möglichkeiten, durch Impfungen den Antibiotika-Einsatz zu vermeiden. Beim Messe-Eröffnungsrundgang lief ein Tierschützer vor die Kameras und hielt ein kleines Transparent hoch, um gegen die Kaninchenmast zu protestieren. Er wurde von Sicherheitskräften abgedrängt.
Aigner rief angesichts der wachsenden Weltbevölkerung dazu auf, die Landwirtschaft zu stärken. „Wir wissen, dass eine Milliarde Menschen nicht satt werden.“ Die Grünen kritisierten, deutsches Billigfleisch mindere den Hunger in der Welt nicht. Der Export von Hähnchen und Milchpulver aus der EU zu Dumpingpreisen nach Afrika treibe dortige Bauern in den Ruin und führe zu noch mehr Armut. Im Berliner Regierungsviertel wollen alternative Agrarverbände, Umwelt- und Tierschützer an diesem Samstag gegen industrielle Agrarproduktion demonstrieren. Die Veranstalter erwarten rund 10 000 Teilnehmer.
Bis 29. Januar werden mehr als 400 000 Gäste bei der 77. Ausgabe der Grünen Woche erwartet, darunter 100 000 Fachbesucher. Für die Branche gilt die Messe als Testmarkt und als Konjunkturbarometer zu Jahresbeginn. Verbraucher können auf einem Erlebnisbauernhof den Weg der Nahrung von Stall und Feld auf den Teller verfolgen und in der Blumenhalle tausende Pflanzen bewundern. Partnerland ist in diesem Jahr das neue EU-Mitglied Rumänien.
Der wachsende Online-Handel mit Lebensmitteln soll stärker ins Visier staatlicher Kontrollen genommen werden. In einem Pilotprojekt recherchiert eine neue Zentralstelle dafür seit einem Jahr Daten aus dem Internet. Das teilte das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit mit. Es sei bereits festgestellt worden, dass ein Viertel von rund 1000 ermittelten Unternehmen nicht wie vorgeschrieben bei Gewerbeämtern registriert war. Ziel sei, dass der Lebensmittelhandel im Internet so sicher werde wie der Einkauf beim Bäcker um die Ecke, sagte Amtspräsident Helmut Tschiersky-Schöneburg.