Gute Konjunktur lässt Schattenwirtschaft schrumpfen
Frankfurt/Main (dpa) - Solange der Konjunkturmotor läuft, schwächelt die Schattenwirtschaft. Wegen des anhaltenden Wachstums und der sinkenden Arbeitslosigkeit wird in Deutschland immer weniger schwarzgearbeitet.
„Je mehr Menschen eine reguläre Beschäftigung haben, desto weniger haben überhaupt noch Kapazitäten, ihre Dienstleistungen in der Schattenwirtschaft anzubieten“, erklärt Prof. Bernhard Boockmann vom Institut für Angewandte Wirtschaftsforschung (IAW) in Tübingen. „Und wer wegen der guten Konjunktur Überstunden leistet, der ist abends meistens zu müde, auch noch das Badezimmer des Nachbarn schwarz zu fliesen.“
In einer Studie des IAW und des Linzer Ökonomen Friedrich Schneider gehen die Forscher davon aus, dass die Schattenwirtschaft 2012 erneut schrumpft, allerdings langsamer als in den Vorjahren. „Wir schätzen, dass in diesem Jahr 343 Milliarden Euro am Staat vorbei verdient werden“, sagt Boockmann. Das seien etwa 1,6 Milliarden Euro weniger als 2011.
Dem Staat und den Sozialkassen entgehen dennoch riesige Summen. Deshalb hat der Zoll das Personal für die Schwarzarbeitsbekämpfung in den vergangenen Jahren verstärkt, sagt Klaus Salzsieder von der Bundesfinanzdirektion West. Seine Behörde koordiniert beim Zoll die Ermittlungen gegen illegale Beschäftigung. Mehr als eine halbe Million Arbeiter in über 67 000 Betrieben wurden im vergangenen Jahr überprüft.
„Ich habe erst vor fünf Minuten angefangen“, sei eine der häufigsten Ausreden, die Salzsieder bei einer Razzia hört. Den tatsächlichen Umfang der Schwarzarbeit zu ermitteln, sei deshalb für die Fahnder nicht immer einfach. Dennoch verzeichnete der Zoll 2011 rund 190 000 abgeschlossene Verfahren. Insgesamt flossen Bußgelder in Höhe von 45,2 Millionen Euro, 2110 Menschen mussten ins Gefängnis.
Schwarzarbeit ist aus Sicht des Gesetzgebers kein Kavaliersdelikt. Einem Handwerker, der zum Beispiel schwarz das Badezimmer einer Privatwohnung fliest, droht ein Strafverfahren wegen Steuerhinterziehung und Vorenthaltung von Sozialabgaben. Ein Hartz-IV-Empfänger, der neben dem Geld von der Arbeitsagentur noch Lohn aus Schwarzarbeit kassiert, begeht Sozialbetrug.
Im Fokus der Ermittler stehen aber eher die großen Fische. „Der Nachbarsjunge, der für zehn Euro den Rasen mäht oder die Putzfrau, die in einem Einfamilienhaus die Küche saubermacht, sind für den Zoll uninteressant“, sagt Salzsieder. „Wenn wir eine Baustelle mit 300 Schwarzarbeitern hochnehmen, ist das für uns schon wesentlich interessanter.“
Dass das Baugewerbe weiterhin den Schwerpunkt der Schwarzarbeit in Deutschland bildet, bestätigt auch Boockmann. Überdurchschnittlich häufig würden aber auch Taxi- und LKW-Fahrer oder Haushaltshilfen illegal beschäftigt. Schneider rechnet zudem mit steigender Schwarzarbeit in der häuslichen Pflege: „Vor dem Hintergrund des immer größeren Bedarfs an Pflegekräften wird auch die Schattenwirtschaft in diesem Bereich wachsen.“
Laut der Experten-Studie wird der Anteil der Schattenwirtschaft in Deutschland in diesem Jahr allerdings von 13,5 auf 13,4 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) leicht sinken. Deutschland liegt demnach auf dem Niveau der skandinavischen Länder. In der Erhebung unter 21 Staaten der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) ist das ein Platz im Mittelfeld.
„Dort wo die Regulierung des Arbeitsmarktes schwächer ist, gibt es auch weniger Schwarzarbeit“, erklärt Boockmann. In den USA ist die Abgabenlast zum Beispiel deutlich niedriger, Mitarbeiter können leichter eingestellt aber auch wieder entlassen werden. Laut der Studie liegt die Schattenwirtschaftsquote dort nur bei 7 Prozent des BIP. In Europa fallen Österreich und die Schweiz mit einer Quote von jeweils nur 7,6 Prozent besonders positiv auf.
Schlusslicht der Studie ist Griechenland, wo jeder vierte Euro am Fiskus vorbei verdient wird. Seit sich die Schuldenkrise in dem Mittelmeerland zugespitzt hat, wird allerdings weniger schwarzgearbeitet als zuvor, sagt Schneider: „Die Rezession der offiziellen Wirtschaft ist so stark, dass weniger Geld für die Nachfrage nach Schattenwirtschaftsleistungen da ist“, erklärt der Experte.