Hat E10 Zukunft? - Harsche Kritik an „Gipfel“
Berlin (dpa) - Trotz des Schulterschlusses beim „Benzingipfel“ werfen Verbraucherschützer, Wirtschaft und Opposition der Regierung ein schlechtes Krisenmanagement vor und geben E10 keine Zukunft.
Der Chef der Verbraucherzentrale-Bundesverband, Gerd Billen, sprach von einer „Missachtung der Verbraucher“. „E10 löst unsere Probleme nicht“, kritisierte Grünen-Chef Cem Özdemir am Mittwoch im ZDF. Besonders Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) erntete Kritik. „Es war ein massiver Fehler, dass der Umweltminister den E10-Verkauf nicht gestoppt hat“, sagte SPD-Chef Sigmar Gabriel dem „Tagesspiegel“.
Nach Angaben aus Teilnehmerkreisen war beim „Gipfel“ am Dienstag eine verbindliche E10-Information des Kraftfahrt-Bundesamts an alle Fahrzeughalter am Streit über die Aufteilung der Portokosten von 15 bis 20 Millionen Euro gescheitert. „Es ist nicht zu erklären, dass die Bundesregierung eine verlässliche Information der Autofahrer an der Frage scheitern lässt, wer das Porto für die Briefe zahlt“, sagte SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann am Mittwoch in Berlin.
Verbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) sagte der Deutschen Presse-Agentur, die Vereinbarungen müssten rasch umgesetzt werden. „Wichtig ist jetzt, dass die Verbraucher verlässliche Angaben bekommen, und zwar sowohl vor Ort bei den Tankstellen als auch bei den Kfz-Werkstätten zum Beispiel oder über das Internet oder über eine Hotline“. Die Sprecherin von Umweltminister Röttgen verteidigte die Ergebnisse, die vor allem einen Appell für eine bessere Information der Verbraucher an der Tankstelle beinhalten. Sie sprach von „einem Erfolg für alle Beteiligten“.
Nach Angaben des Mineralölwirtschaftsverbands lehnen laut einer Umfrage unter 1000 Tankstellenkunden immer noch 57 Prozent den Biosprit ab - er enthält zehn Prozent Ethanol aus Getreide und Rüben. Obwohl die Branche damit gerechnet hatte, dass 90 Prozent der Fahrer eines Benziners zum neuen E10 greifen würden, liegt der Anteil erst bei 40 Prozent - die große Mehrheit tankt noch die alten Supersorten. Deshalb mussten Raffinerien ihre E10-Produktion drosseln und an 8000 der 15 000 Tankstellen wird der Kraftstoff vorerst nicht eingeführt.
Verbraucherschützer Billen sagte den „Ruhr-Nachrichten“, es sei skandalös, dass der Vorschlag der Information über das Kraftfahrt-Bundesamt nicht aufgegriffen wurde. Er könne es „keinem Verbraucher verdenken, wenn er um E10 an der Tankstelle einen Bogen macht. Wir benötigen Rechtssicherheit“. Der Verkehrs- und Energieexperte der Verbraucherzentrale, Holger Krawinkel, sagte der dpa mit Blick auf die mauen Ergebnisse, das hätte auch in einer Telefonkonferenz abgehandelt werden können. Für E10 sehe es nun schlecht aus.
Grünen-Chef Özdemir äußerte grundsätzliche Bedenken: E10 sei die uneffizienteste Weise, den CO2-Ausstoß zu verringern. Auch der Autoverkehr an sich müsse seinen Beitrag zum Klimaschutz leisten: „Dazu gehört ein Tempolimit, Elektromobilität, Hybridfahrzeuge und die Förderung des öffentlichen Verkehrs“, sagte Özdemir.
„Überstürzt, überzogen und nicht ausreichend vorbereitet“ nannte Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt die Einführung des E10-Benzins im „Flensburger Tageblatt“. Er verwies darauf, dass die EU für die Einführung des umstrittenen Biosprits mehr Zeit eingeplant habe als die Bundesregierung. Zugleich äußerte Hundt „energiepolitische Zweifel“ an der Einführung des E10-Benzins. Die Bundesregierung erwecke den Eindruck eines „übereifrigen Musterschülers“.