Hertie: Mitarbeiter fürchten um Jobs
Einzelhandel Die Krise beim Großaktionär Dawnay Day bringt auch die deutsche Warenhauskette ins Straucheln.
Essen. "Zum Glück gibt’s Hertie - unsere neue Welt", schmettert der "Hertie-Song" aus der Warteschleife der Warenhauskette. Doch abseits der Marketingsprüche im Hertie-Rosa sieht die Realität der 4100 Mitarbeiter nun eher schwarz aus.
Die "Nachbarschaftskaufhäuser", die in vielen mittelgroßen Städten in den Fußgängerzonen das letzte umfassende Warenhausangebot offerieren, kommen aus den roten Zahlen nicht heraus. Allein 2006 wies Hertie einen Fehlbetrag von 33 Millionen Euro aus - bei einem Eigenkapital von nicht einmal mehr zehn Millionen Euro.
Seit dieser Woche müssen sich die Beschäftigten sogar Sorgen um ihren Job machen. Der britische Haupteigentümer Dawnay Day, der seit der Übernahme der Kette 2005 immer wieder hohe Verluste ausgeglichen hat, soll wegen der globalen Finanzkrise selbst ums Überleben kämpfen.
"Wenn Dawnay Day strauchelt, bedeutet das das Aus für Hertie", sagte der zuständige Verdi-Sekretär Johann Rösch nach einer Krisensitzung mit Vertretern der Geschäftsführung in der Essener Hertie-Zentrale. Die Situation sei dramatisch.
Entsprechend nervös sind im Essener Warenhaus die Mitarbeiter. "Wir diskutieren hier schon den ganzen Tag und werden auch von Kunden angesprochen", sagt eine Verkäuferin, "aber wir wissen doch noch von gar nichts", sagt eine Kollegin.
Unter den Verkäuferinnen sind viele jenseits der 50; die meisten von ihnen haben zuvor Jahrzehnte bei Karstadt gearbeitet. Ende 2007 ist ihre vertragliche Beschäftigungssicherung aus der Karstadt-Ära ausgelaufen. Dass die Geschäfte schlecht laufen, ist für die Mitarbeiter völlig klar. Schließlich gehe es allen Handelskonzernen schlecht.
"Die Leute haben kein Geld mehr." Genauso sieht es ein Vorstand eines Hertie-Lieferanten. "Der Cocktail aus hohen Sprit- und Lebensmittelpreisen, Inflation und Rezessionsangst trifft alle." "Aber wenn dann noch ernsthafte Probleme bei der Mutter hinzukommen, wird es gefährlich."
Zudem ist zu hören, dass die Investoren durch überhöhte Mietforderungen an Hertie die Krise bei der deutschen Tochter mit verursacht haben könnten. Während in vergleichbaren Kaufhäusern fünf Prozent des Umsatzes an den Vermieter gehen, seien es bei Hertie rund zehn gewesen, zitiert das "Handelsblatt" einen Insider. Manche Experten sagen sogar, dass Hertie ohne die Mehrbelastungen profitabel sein könnte.
Nun soll die Warenhauskette offenbar verkauft werden. Das Handelsblatt zitiert einen Makler, Hertie gehöre zu den deutschen Kaufhausketten, die im Markt angeboten würden. Auch ein deutscher Unternehmer habe erklärt, ihm sei Hertie zum Kauf angeboten worden.
Der Werbeslogan "Zum Glück gibt’s Hertie" könnte bald schon lauten "Wie lange gibt es Hertie noch?"
Seit die britischen Finanzinvestoren Dawnay Day 2005 bei der deutschen Warenhauskette eingestiegen sind, schreibt das Unternehmen rote Zahlen. Hertie hängt am Londoner Tropf - und der droht nun zu versiegen. Einmal mehr haben sich die Briten auf dem schwierigen deutschen Einzelhandelsmarkt verkalkuliert - wie schon zuvor die Kette Marks & Spencer bei ihrem Deutschland-Flop.
Für die 4100 Mitarbeiter beginnt das Zittern um ihre Arbeitsplätze. Gerade erst ist ihre vertraglich zugesicherte Beschäftigungssicherung aus der Karstadt-Ära ausgelaufen.
In den betroffenen Städten geht ebenfalls die Angst um. Dort bietet Hertie oftmals das letzte umfassende Warenhaussortiment an. Gehen bei Hertie die Lichter aus, sieht es auch für viele Händler im Umfeld düster aus.
Doch so weit muss es nicht kommen. Findet sich ein Kaufinteressent, der in die Warenhäuser investiert und sie nicht durch überhöhte Mietforderungen ausbluten lässt, dann hat Hertie eine Chance.