Hessen und Baden-Württemberg prüfen Klage gegen VW
Wiesbaden/Stuttgart (dpa) - In der Abgas-Krise bei Volkswagen könnten nach dem Klagevorstoß aus Bayern auch weitere Bundesländer juristisch gegen den Autobauer vorgehen. Denn auch Hessen und Baden-Württemberg prüfen rechtliche Schritte gegen VW.
Hintergrund ist wie in Bayern der dramatische Kursverlust der VW-Vorzugsaktie nach dem Ausbruch des Diesel-Skandals im September 2015. Das Papier büßte zwischenzeitlich mehr als 40 Prozent an Wert ein. Einige Bundesländer haben für die Versorgung ihrer Landesbediensteten in VW investiert und erlitten nun Verluste. Fraglich ist, ob der Autobauer die Finanzwelt womöglich zu spät über das Ausmaß der Software-Manipulationen informierte.
Genau da setzt Bayern an: Der Freistaat hat eine Schadenersatzklage gegen Volkswagen angekündigt. Ob Hessen diesem Beispiel folgen wird, werde noch geprüft, teilte das Finanzministerium in Wiesbaden mit. Grund sind Verluste in der sogenannten Versorgungsrücklage des Landes durch den Verkauf von VW-Aktien in Höhe von rund 3,9 Millionen Euro. Beim Pensionsfonds der Bayern geht es um bis zu 700 000 Euro.
Die Aktien seien Teil des Anlagepakets für die Versorgungsrücklage des Landes Hessen gewesen, berichtete das Finanzministerium. Mit der Verwaltung sei die Deutsche Bundesbank betraut.
Diese habe nach Bekanntwerden der Manipulationsvorwürfe die Aktien unverzüglich verkauft. Gegen VW gibt es bereits viele Anlegerklagen aus dem In- und Ausland, mit Bayern hatte am Dienstag ein erstes Bundesland einen solchen Schritt angekündigt. In anderen Bundesländern und beim Bund gibt es derzeit keine entsprechenden Überlegungen. Niedersachsen als VW-Großaktionär sieht derzeit keinen Anlass für eine Klage.
Auch Baden-Württemberg prüft eine Klage gegen VW. Das Land hielt bei Bekanntwerden der Diesel-Affäre rund 64 600 Aktien des Autobauers. Aussagen über die Höhe des möglichen Schadens seien noch nicht möglich. Bayern hielt in seinem milliardenschweren Fonds für im September 2015 rund 58 000 VW-Vorzugsaktien.
Der Freistaat geht wie bei den anderen klagenden VW-Aktionären davon aus, dass VW zu spät über die Risiken des Abgas-Skandals informiert hat. Volkswagen weist das bisher als unbegründet zurück und betont, man habe alle Mitteilungspflichten ordnungsgemäß erfüllt. Zu der Ankündigung Bayerns wollte sich der Konzern nicht äußern.
Wie Niedersachsen wollen auch Schleswig-Holstein, Bremen, Hamburg, Nordrhein-Westfalen, Mecklenburg-Vorpommern, Berlin, Brandenburg, Thüringen, Sachsen, das Saarland und Rheinland-Pfalz nicht klagen, entweder, da man keine Aktien von VW halte oder allenfalls indirekt. Sachsen-Anhalt prüfe derzeit die Zusammensetzung der eigenen Anlagen.
Auf Investorenseite sieht sich der Autobauer schon Klagen ausgesetzt, die die angeblichen Schadensummen der Bundesländer weit übersteigen. Die Rechtsanwaltskanzlei Tilp aus Kirchentellinsfurt bei Tübingen hat im März 2016 die hierzulande erste Milliardenklage institutioneller Anleger eingereicht.
Sowohl Tilp als auch VW wollen die Klagen mit einem sogenannten Musterverfahren beschleunigen. Das Landgericht Braunschweig ebnete dafür Ende Mai den Weg. Weitere Entscheidungen dazu sollen in den nächsten Wochen folgen. Die Zeit drängt: Laut Tilp drohen einige Ansprüche bereits zum 19. September 2016 zu verjähren.