Ifo: Stimmung in der deutschen Wirtschaft überraschend getrübt
München (dpa) - Der langanhaltende Stimmungsaufschwung in der deutschen Wirtschaft ist erstmal gestoppt. Der Geschäftsklimaindex des Münchner Ifo Instiuts gab im Oktober unerwartet ein klein wenig nach und sank nach zuletzt fünf Anstiegen in Folge von 107,7 auf 107,4 Punkte.
In den Chefetagen der Firmen schaut man wieder ein wenig zurückhaltender in die Zukunft. An der grundsätzlich guten Laune ändert der Rückgang aber kaum etwas, die Werte des wichtigen Stimmungsbarometers liegen weiter auf hohem Niveau.
Ihre Lage beurteilten die vom Ifo Institut befragten Unternehmen mit einem Wert von 111,3 Punkten beinahe unverändert, im September lag dieser bei 111,4. Etwas deutlicher trübten sich die Erwartungen für die kommenden Monate ein, der Wert sank von 104,2 auf 103,6 Punkte. Insgesamt hält sich der Geschäftsklimaindex nun seit März 2010 über der Marke von 100 Punkten - ein Indiz für die Rolle der deutschen Wirtschaft als Konjunkturmotor Europas.
Den letzten deutlichen Rückgang hatte es im Januar gegeben. Seither ging es lediglich im März und April zweimal in Folge leicht abwärts. Erst nach drei Veränderungen in eine Richtung sprechen Volkswirte von einer möglichen Trendwende. Allerdings hatten Fachleute eigentlich mit dem sechsten Anstieg in Reihe gerechnet und den Indexstand für Oktober auf glatt 108 Punkte geschätzt.
„Der weitere Geschäftsverlauf wird von den Unternehmen etwas weniger optimistisch als im Vormonat beurteilt“, sagte der scheidende Ifo-Konjunkturchef Kai Carstensen. Die Lage werde von den Firmen nur ein klein wenig schlechter bewertet. „Sie ist jedoch weiterhin überdurchschnittlich.“ Ifo-Konjunkturexperte Steffen Henzel sagte, die Erholung verlaufe etwas weniger schwungvoll. „Auch weil sich die düsteren Wolken über den Krisenländern Südeuropas nur langsam verziehen.“ Auf eine Trendwende deute derzeit aber nichts hin.
Auch die Haushaltskrise in den USA, die in den vergangenen Wochen die Welt in Atem hielt, dürfte nur wenig Eindruck in den Chefetagen hinterlassen haben. Zwar wisse man nicht, wie sich die Werte ohne die dramatische Zuspitzung entwickelt hätten, doch da auch die Exporterwartungen der Firmen weiter nach oben auf einen neuen Jahreshöchstwert geklettert seien, dürfte die Besorgnis über die Lage in den USA kaum Auswirkungen gehabt haben, sagte Henzel.
Das teilen auch die Experten der BayernLB: „Die Exporterwartung der befragten Unternehmen stieg im Oktober sogar an. Insgesamt ist der leichte Rückgang der Stimmungsindikatoren im Oktober nicht als Trendwende zu sehen.“
DZ-Bank-Chefvolkswirt Michael Holstein macht für das kleine Minus den US-Haushaltsstreit, aber vor allem auch die Regierungsbildung in Berlin verantwortlich. So könnten etliche Firmen durchaus Bedenken haben, ob eine große Koalition aus CDU und SPD ihre Interessen angemessen berücksichtige, schrieb Holstein. Auch die LBBW sieht in der Entwicklung keinen Rückschlag für die Konjunktur.
Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer geht davon aus, dass es mit dem anhaltenden Stimmungsaufschwung erst einmal vorbei ist. „Nach einem fulminanten zweiten Quartal dürfte es mit der deutschen Wirtschaft von nun an verhaltener bergauf gehen“, sagte Krämer. Zugleich könne ein gesetzlicher Mindestlohn und andere Pläne einer möglichen großen Koalition bremsen. Der Volkswirt der Linken im Bundestag, Michael Schlecht, sieht den Aufschwung aus anderen Gründen gefährdet. „Der Konjunkturoptimismus der Bundesregierung ist nicht wirklich begründet.“ Vielmehr müsse mit kräftigen Lohnerhöhungen, Mindestlöhnen und Investitionen die Binnennachfrage gestärkt werden.
Unabhängig von solchen langfristigen Überlegungen hat der jüngste Ifo-Index die Börse nur kurz beeindruckt. Nach einem schwachen Start übersprang der Dax am Freitag die 9000 Punkte-Marke und notierte damit auf einem Rekordstand. Neben gewichtigeren Gründen wie dem Anlagenotstand spiele dabei auch eine Rolle, dass viele Anleger Vertrauen in den deutschen Aufschwung hätten, erklärten Analysten.
Erst kürzlich hat die Bundesregierung ihre Prognose für 2014 angehoben. So rechnet sie statt bisher mit 1,6 Prozent jetzt mit einem Zuwachs beim Bruttoinlandsprodukt (BIP) von 1,7 Prozent. Zudem wird ein weiterer Anstieg der Beschäftigung auf Rekordniveau erwartet. Die Zahl der Erwerbstätigen soll 2014 im Schnitt auf rund 42 Millionen zulegen.