Arbeitgebernahes Institut IW: Kein Grund für höheren Mindestlohn als 9,19 Euro
Berlin (dpa) - Vor der Empfehlung der Mindestlohnkommission zur künftigen Höhe der Lohnuntergrenze warnt das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW) vor einer zu starken Erhöhung.
„Als Regelfall soll die Steigerung des Mindestlohns der Entwicklung des Tariflohnindexes ohne Sonderzahlungen folgen“, sagte IW-Tarifexperte Christoph Schröder der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. „Daraus würde sich eine Erhöhung um 4 Prozent auf 9,19 Euro ergeben“, so Schröder. „Für einen höheren Anstieg sehen wir keinen Grund.“
An diesem Dienstag will die Mindestlohnkommission ihre Empfehlung zur Anfang 2019 anstehenden Erhöhung bekanntgeben. Das Gremium richtet sich nach dem Tarifindex des Statistischen Bundesamts, also einer Berechnung der Lohnentwicklung aufgrund hunderter Tarifverträge.
Die Statistikbehörde hatte im Januar bekannt gegeben, dass der monatliche Index der tariflichen Stundenverdienste von Dezember 2015 bis Dezember 2017 um 4,8 Prozent gestiegen ist. Sehe die Kommission keine besonderen Umstände in der Konjunkturentwicklung, so das Statistikamt, werde sie der Tarifentwicklung folgen: „Unter diesen Voraussetzungen würde der Mindestlohn ab dem 1. Januar 2019 auf 9,19 Euro ansteigen.“
Die Kommission soll laut Gesetz im Rahmen einer Gesamtabwägung prüfen, welche Höhe einen angemessenen Mindestschutz für die Beschäftigten bietet, faire Wettbewerbsbedingungen ermöglicht und die Beschäftigung nicht gefährdet. Deshalb wird mit Spannung erwartet, ob der Mindestlohn künftig höher oder niedriger liegt als 9,19 Euro. Die Politik dürfte die Empfehlung der Kommission umsetzen.
Schröder sagte, 9,19 Euro sicherten den Mindestlohnempfängern einen Anstieg der Realverdienste. „Zwar ist die Beschäftigungslage derzeit gut“, sagte er. „Mehrere Wirtschaftsforschungsinstitute haben ihre Konjunkturprognose für 2018 und 2019 vor allem wegen außenwirtschaftlicher Risiken jedoch deutlich herabgesetzt.“ Überdies mahne die OECD an, dass junge, gering qualifizierte Männer aus dem In- und Ausland besser gefördert werden sollten, um ihre Integration in den Arbeitsmarkt zu erleichtern. „Dies sollte nicht durch zu hohe Mindestlohnsteigerungen erschwert werden“, warnte Schröder.
DGB-Chef Reiner Hoffmann hatte „einen ordentlichen Zuschlag“ gefordert. Die gewerkschaftsnahe Hans-Böckler-Stiftung betonte unter Berufung auf ihre Forschungsinstitute WSI und IMK, das Niveau des deutschen Mindestlohns sei im internationalen Vergleich relativ niedrig. Wer zum gegenwärtigen Mindestlohn von 8,84 Euro pro Stunde beschäftigt sei, könne in vielen Großstädten wegen der stark gestiegenen Mieten auch als Alleinstehender oft kein Leben ohne zusätzlichen Hartz-IV-Bezug führen.
„Der Mindestlohn löst Probleme, ohne nennenswert neue zu schaffen“, hatte die wissenschaftliche Direktorin des WSI, Anke Hassel, betont. Dabei hätten manche vor der Einführung in „hysterischen Horrorszenarien“ massenhafte Jobverluste vorhergesagt.
Die Kommission mit Vertretern von Arbeitgebern, Gewerkschaften und Wissenschaft kommt am Dienstag zur entscheidenden Sitzung zusammen. Direkt im Anschluss wird die Empfehlung bekannt gegeben. Bisher stieg der 2015 eingeführte Mindestlohn einmal, nämlich 2017 von 8,50 auf 8,84 Euro pro Stunde.
Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) rechnet mit einer deutlichen Erhöhung: „Angesichts der guten wirtschaftlichen Lage gehe ich von einer kräftigen Erhöhung aus“, hatte er gesagt. Zudem kündigte er schärfere Kontrollen zur Einhaltung des Mindestlohns an.