Geschäftsidee Kalaschnikow fürs Volk - Russland macht Militärkleidung "zivil"

In Russland entwickelt sich modische Kleidung mit militärischem Design und patriotischer Symbolik zu einem Trend. Staatliche Konzerne wie der Waffenbauer Kalaschnikow wittern ihre Chance.

Der Kalaschnikow-Laden am Flughafen Scheremetjewo in Moskau bietet neben Kleidung und Accessoires auch originalgetreue Waffenattrappen an, wie vom Klassiker AK-47.

Foto: Maxim Shipenkov

Moskau. Die Ak-74 liegt schwer in der Hand. Vier Kilogramm wiegt das Sturmgewehr, ein Nachfolgemodell des legendären Typs AK-47 der russischen Waffenschmiede Kalaschnikow. Sicherung raus, durchladen, abdrücken - peng. Wobei das Peng eher ein überraschendes mechanisches Klick ist, denn dies ist nur eine Attrappe. Zu haben ist die Nachbildung des Klassikers für umgerechnet etwa 500 Euro im neuen Souvenirshop von Kalaschnikow am Moskauer Flughafen Scheremetjewo.

Kalaschnikow ist Russlands größter Produzent von weltweit verwendeten Präzisionsschusswaffen. Doch scharfe Gewehre gibt es im ersten Andenkenladen des Konzerns nicht zu kaufen. Dafür werden T-Shirts mit Firmenlogo und warme Outdoorkleidung mit Tarnmuster angeboten.

„Bis 2020 sollen Produkte für zivile Zwecke 50 Prozent unseres Umsatzes ausmachen“, sagt Marketingdirektor Wladimir Dmitrijew. Dafür wollten die Nachfolger des berühmten Waffenkonstrukteurs Michail Kalaschnikow massentaugliche Produkte auf den Markt bringen wie Kleidung und Souvenirs.

Damit stößt der Konzern in eine Nische, die seit einigen Jahren zu einem Trend in Russland zu werden scheint: modische Kleidung mit militärischem Design und patriotischer Symbolik. 2014 hatte bereits das Verteidigungsministerium versucht, diese Lücke zu besetzen, als es die Modemarke Armija Rossii (Armee Russlands) gründete.

Der rote Sowjetstern, Zeichen der russischen Streitkräfte, ist das Logo der Marke und leuchtet in einer edlen Boutique im Zentrum von Moskau metergroß an der Wand. Bunte Fotos von martialischem Kriegsgerät schmücken den Aufgang in das Obergeschoss. In den Schaufenstern wirbeln Kampfjets und Panzer über Großbildschirme.

Sportlich geschnittene T-Shirts mit dem Foto von Kremlchef Wladimir Putin sind ebenso im Angebot wie modische Abwandlungen von Uniformen. Die Preise sind stattlich. Umgerechnet fast 700 Euro kostet eine Lederjacke mit dem Bild eines Kampfflugzeugs auf dem Rücken. T-Shirts sind aber schon für zehn Euro zu haben. Auch Uhren, Taschenmesser und Hygieneartikel mit der Aufschrift „Armee-Standard“ sind im Sortiment.

Viele Kunden seien zwischen 25 und 40 Jahre alt, heißt es aus dem Unternehmen Wojentorg, das die Marke Armija Rossii für das Ministerium vertreibt. Wojentorg unterhält landesweit Supermärkte, Friseursalons und weitere Angebote für Armeeangehörige und Veteranen zu kleinen Preisen. Ein Interview lehnte Wojentorg auf Anfrage ab.

Als bei der Moskauer Fashion Week 2014 die neue Modemarke Armija Rossii präsentiert wurde, schickten auch andere Designer Models im militärisch angehauchtem Dress über den Laufsteg. In dem Trend sehen Beobachter einen Versuch, die Präsenz der Armee stärker in den Alltag der Bürger zu integrieren. „Das Verteidigungsministerium hofft darauf, dass es mit Hilfe dieser Geschäfte junge Leute für den Dienst in der Armee begeistern und ihnen zeigen kann, dass sich dahinter nicht nur der Alltag in der Kaserne verbirgt, sondern wahre Romantik“, schreibt etwa die Regierungszeitung „Rossijskaja Gaseta“.

So weit geht Kalaschnikow mit seiner neuen Strategie nach eigener Darstellung nicht. Zwar steht der Konzern unter staatlicher Kontrolle, denn die Rüstungsfirma Rostec hält 51 Prozent der Aktien. Doch Dmitrijew wehrt sich, Kalaschnikows Produkte zu sehr in die militärische und patriotische Ecke zu schieben.

„Historisch hat es sich so ergeben, dass die Marke Kalaschnikow eng mit dem Land und dem Patriotismus verbunden ist, und sie kommt den Menschen sofort in den Sinn, wenn sie über Russland sprechen“, sagt er. Doch viele Produkte seien nicht im Militärstil gehalten. So gebe es auch Jagdkleidung, die niedrigen Temperaturen standhalten kann.

Die Neuorientierung des Waffenbauers hat demnach auch mit der Krise zwischen Russland und dem Westen im Ukraine-Konflikt zu tun. „Wegen der Sanktionen gegen Russland war der Konzern gezwungen, seine Marketingpolitik zu überdenken“, erklärt Dmitrijew. Kalaschnikow wolle sich künftig stärker auf den heimischen Markt konzentrieren. Auf 60 soll die Zahl der Geschäfte landesweit bis Ende des Jahres verdoppelt werden. Seit August gibt es zudem einen Internet-Handel.

Dort werden auch die Gewehrattrappen angeboten, die es am Flughafen zu kaufen gibt. „Die Attrappe mitzunehmen ins Flugzeug ist kein Problem“, sagt ein Verkäufer überzeugt. „Wir geben Ihnen ein Zertifikat, und das reicht aus.“ Ob das auch für Flughäfen im Ausland gelte? „Hier ist das kein Problem“, beteuert der Verkäufer. „Wie das bei Ihnen in Deutschland angenommen wird, kann ich nicht sagen.“