Kauflaune sorgt für breiten Aufschwung
Wiesbaden/Frankfurt (dpa) - Deutschland Verbraucher haben ihre Kauflust wiederentdeckt und stützen zunehmend den Aufschwung. Damit steht das lange Zeit fast ausschließlich vom Export getriebene Wachstum auf einer breiteren Basis.
„Deutschland hängt nicht mehr allein am Tropf der Weltwirtschaft“, kommentierte Unicredit-Analyst Andreas Rees. Experten sind zuversichtlich: Die Krise in Irland und Griechenland kann die deutsche Konjunkturerholung bremsen, aber nicht stoppen. Deutschland bleibt Europas Konjunkturlokomotive.
Im Vergleich zum Vorquartal legte das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im dritten Vierteljahr real um 0,7 Prozent zu, wie das Statistische Bundesamt am Dienstag in Wiesbaden seine erste Schätzung bekräftigte. Auf Jahressicht stieg das BIP preisbereinigt um 3,9 Prozent.
Pünktlich zur Hochphase des Weihnachtsgeschäfts sind auch die Verbraucher in bester Kauflaune: Gute Nachrichten vom Arbeitsmarkt und niedrige Inflation nähren den Optimismus. „Wir sind nicht Weltmeister in der Anschaffungsneigung, aber wir sind immerhin die Optimisten Europas“, sagte der Vorstandsvorsitzende der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK/Nürnberg), Klaus Wübbenhorst, in Frankfurt.
„Alle Voraussetzungen sind gegeben, dass 2011 ein gutes Konsumjahr wird: Wir denken, dass beim Konsumwachstum eine Eins vor dem Komma nicht unrealistisch ist“, sagte Wübbenhorst. Damit würde der private Konsum 2011 etwa doppelt so stark wachsen wie in diesem Jahr. Da das deutsche BIP zu fast 60 Prozent vom privaten Konsum abhängt, sei es auch extrem wichtig, „dass wir in den nächsten Jahren nicht nur auf einem starken Exportbein dahinspringen“, befand der GfK-Chef.
Nach dem Rekord-Quartalswachstum von 2,3 Prozent im zweiten Quartal schwächte sich das Tempo im dritten Vierteljahr zwar ab. Dafür ist das Wachstum inzwischen robuster. Neben dem starken Export liefert das Inland zunehmend positive Impulse: Investitionen (plus 3,7 Prozent zum Vorquartal), private Konsumausgaben (plus 0,4) und staatliche Konsumausgaben (plus 1,1) trugen zum Wachstum bei. Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) frohlockte: „Dem großen Aufschwung-Sommer folgt ein goldener Konjunktur-Herbst.“
Die GfK und der Handelsverband HDE erwarten ein sehr gutes Weihnachtsgeschäft. Terrorwarnungen nimmt der HDE ernst, glaubt aber nicht, dass sich die Verbraucher vom Shopping abhalten lassen. Die GfK revidierte ihren monatlich ermittelten Konsumklimaindex für November von 4,9 auf 5,1 Punkte nach oben, für Dezember sagten die Marktforscher mit 5,5 Punkten den höchsten Wert seit Oktober 2007 (6,4 Punkte) voraus.
Ungeachtet der neu entflammten Sorgen um die Schuldenländer im Euroraum wird Deutschland sein robustes Wachstum nach Überzeugung von Experten fortsetzen. „Die Angst, arbeitslos zu werden, ist deutlich zurückgegangen. Das spricht auch dafür, dass die gute Konsumstimmung von Dauer sein wird und nicht nur ein Strohfeuer ist“, sagte GfK- Konsumexperte Rolf Bürkl der Nachrichtenagentur dpa. Die Commerzbank erwartet für das Gesamtjahr 2010 einen BIP-Anstieg von rund 3,5 Prozent und 2011 von 2,6 Prozent. Im Krisenjahr 2009 war die deutsche Wirtschaft um 4,7 Prozent abgestürzt.
Die Bundesbank hält die aktuelle Aufwärtsbewegung für recht gefestigt. Nach ihrer Einschätzung dürfte auch das allmähliche Auslaufen der staatlichen Konjunkturpakete den Trend nicht wesentlich beeinträchtigen. Allerdings sieht die Bundesbank die Gefahr, dass sich die Staatsschuldenkrise im Euroraum auf die Realwirtschaft ausbreiten könnte. Dekabank-Chefvolkswirt Ulrich Kater meint: „Ein dauerhafter Zustand der Unsicherheit über die Lösung des Schuldenproblems einiger Mitgliedsländer wäre eine ständige Hypothek für die wirtschaftliche Erholung.“
Analyst Folker Hellmeyer von der Bremer Landesbank hat Vertrauen in die Iren: „Wir sind bei Irland mit einem reformfreudigen Land konfrontiert, dessen Geschäftsmodell mit Ausnahme des Bankensektors in Ordnung ist.“ Und Unicredit-Volkswirt Rees sieht in Fernost weitaus größere Risiken: „Aus unserer Sicht ist die europäische Schuldenkrise nicht die größte Gefahr für Deutschlands Wirtschaft. Entscheidender ist, ob China eine sanfte Landung schafft oder nicht.“ Schließlich hätten deutsche Exporteure stark vom dynamischen Wachstum in den asiatischen Schwellenländern profitiert.