Euro-Angst: Irland wird zur Nagelprobe
London/Dublin (dpa) - Die schwere wirtschaftliche und politische Krise Irlands wird mehr und mehr zur Nagelprobe für die gesamte Eurozone. Ministerpräsident Brian Cowen forderte am Dienstag erneut alle Abgeordneten im Parlament auf, das Sparbudget mit Kürzungen von sechs Milliarden Euro mitzutragen.
Andernfalls sei die Auszahlung internationaler Hilfen aus dem Rettungsschirm von EU, Eurozone und Internationalem Währungsfonds gefährdet. EU-Währungskommissar Olli Rehn pflichtete bei: „Es wäre besser, den Haushalt früher als später zu verabschieden.“ Die Finanzmarkte zeigten sich weiter beunruhigt.
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) machte auf die Auswirkungen aufmerksam: In Irland stehe auch die Zukunft des Euro auf dem Spiel. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bekräftigte ihre umstrittene Forderung, private Investoren an künftigen Rettungsaktionen zu beteiligen. „Ich werde davon nicht ablassen“, sagte die CDU-Chefin am Dienstag beim Deutschen Arbeitgebertag.
Nach Vorstellungen des Bundesfinanzministeriums soll der Krisenmechanismus einen fairen Interessenausgleich zwischen Schuldnerstaat und Anleihegläubigern im Fall einer drohenden Zahlungsunfähigkeit ermöglichen. So könnte eine Gläubigerversammlung etwa Laufzeitänderungen oder Zinskürzungen beschließen.
Irland war am Sonntag unter den Schirm geschlüpft und soll Hilfen von bis zu knapp 100 Milliarden Euro erhalten. Finanzminister Brian Lenihan machte am Dienstag nochmals deutlich, dass der Vierjahresplan mit Einsparungen von 15 Milliarden Euro, der an diesem Mittwoch in Dublin verkündet werden soll, ebenfalls Voraussetzung für die weiteren Verhandlungen mit IWF, EU und Europäischer Zentralbank sei.
Nach nur kurzer Erleichterung zu Wochenbeginn sanken die Aktienkurse am Dienstag wieder. Die Risikoaufschläge für Anleihen von Krisenstaaten stiegen. Es wird befürchtet, dass die Irland-Krise auf andere gefährdete Euro-Länder wie Portugal und Spanien überschwappen könnte. Die Rendite der zweijährigen Staatsanleihe Griechenlands stieg um 0,57 Prozentpunkte auf 10,85 Prozent - der mit Abstand höchste Zins, den ein Euro-Land bei dieser Laufzeit für frisches Geld zahlen muss. In Portugal soll es unterdessen am Mittwoch zum Generalstreik gegen bevorstehende Sparmaßnahmen kommen.
Premier Cowen hatte die Ankündigung baldiger Neuwahlen in Irland an die vorherige Verabschiedung des Haushalts im Parlament geknüpft. Die großen Oppositionsparteien Fine Gael und Labour forderten dagegen die sofortige Auflösung des Parlaments. Auch einzelne Abgeordnete aus Cowens eigener Fianna-Fáil-Partei verlangten dies. Die kleine katholische Sinn-Fein-Partei überlegt sogar, die Vertrauensfrage im Unterhaus zu stellen.
Die Grünen, Cowens Juniorpartner in der Regierungskoalition, wollen Neuwahlen in der zweiten Januarhälfte. An diesem Donnerstag steht in einem Wahlkreis eine Nachwahl an, die die Regierungspartei aller Voraussicht nach verlieren wird. Dann würde Cowens Mehrheit von nur drei Stimmen weiter schmelzen.
Das Budget von Finanzminister Brian Lenihan enthält allein für 2011 Kürzungen in Höhe von sechs Milliarden Euro. Es soll einen Beitrag zur Bewältigung der Finanzkrise leisten, in die Irland nach einer geplatzten Immobilienblase und dem teilweisen Kollaps seines überdimensionierten Bankensystems gestürzt war. Das Haushaltsdefizit stieg auf 32 Prozent.
Der Regierung wird vor allem vorgeworfen, dass sie mit der Übernahme staatlicher Garantien für alle Bankeneinlagen zugunsten der Kreditinstitute den Staatsbankrott riskiert habe. Außerdem gilt Cowen bei den Iren als Lügner. Er hatte noch vor einer Woche gesagt, Irland sei nicht auf Finanzhilfen von außerhalb angewiesen und könne seine Probleme alleine lösen.
Ökonomen warnten davor, Risiken in Krisenländern vollständig auf die Steuerzahler soliderer Länder abzuwälzen: Ein dauerhafter Transfermechanismus sei mit den Grundsätzen der Marktwirtschaft nicht vereinbar - „und für Länder wie Deutschland potenziell extrem kostspielig“, sagte der Konjunkturchef des Münchner Ifo-Instituts, Kai Carstensen, bei „Handelsblatt Online“.