Klage: Recht auf den IHK-Austritt?
Klagen gegen den Zwang zur Mitgliedschaft in Industrie- und Handelskammern. Was die Kläger und zwei IHK-Chefs dazu sagen.
Düsseldorf. Post aus Karlsruhe — es ist ein gut zweiseitiges Schreiben mit der Aufforderung zur Stellungnahme, gerichtet an Ministerien, Behörden und Verbände. Allein die Tatsache, dass es das Schreiben des Bundesverfassungsgerichts gibt, interpretieren Gegner des seit Jahrzehnten geltenden Zwangs zur Mitgliedschaft in den Industrie- und Handelskammern (IHK) als Zeichen, dass die Richter diese Pflichtmitgliedschaft kippen könnten.
Geklagt haben fünf Unternehmen, gewissermaßen stellvertretend für viele unzufriedene Firmenchefs, die die Pflichtmitgliedschaft nicht länger hinnehmen wollen. Es gibt sogar einen Verband, dessen Zielsetzung die Abschaffung des Kammerzwangs ist: den Bundesverband für freie Kammern (bffk) in Kassel. Dessen Bundesgeschäftsführer Kai Boeddinghaus sieht in dem Schreiben durchaus ein Zeichen, dass sich etwas ändern könnte. „Fakt ist, dass das Bundesverfassungsgericht eine solche Anhörung seit 1962 nicht durchgeführt hat. Es muss also diesbezügliche Fragestellungen geben.“
Angriffslustig präsentiert Boeddinghaus seine Argumente gegen den Kammerzwang: Er sieht diese „unter dem Schutzschirm der Zwangsmitgliedschaft als verkrustete Organisationen.“ Eine Organisationsform, die sich über Jahrzehnte so bequem eingerichtet habe, nehme daran Schaden. „Zwang scheut Leistung“, so Boeddinghaus. Das Selbstbild der Kammern, sie würden die staatlichen Aufgaben viel effizienter und kostengünstiger erledigen als der Staat, sei „von einer Mischung aus Arroganz und Selbstüberschätzung“ gekennzeichnet. Auch gebe es eine Selbstbedienungsmentalität im Haupt- und Ehrenamt.
Zu den Ärgernissen gehört für Boeddinghaus auch, „dass die Kammern nach außen so tun, als wäre das eine solidarische Veranstaltung — die Großen finanzieren das für die Kleinen mit —, während tatsächlich Tausende zur Mitgliedschaft gezwungen werden, die gar kein echtes Gewerbe betreiben.“
Die Chefs der IHK in unserer Region sehen das anders. Udo Siepmann, Hauptgeschäftsführer der IHK Düsseldorf, betont, der Staat habe den Kammern 50 öffentliche Aufgaben übertragen — von der Berufsausbildung, über Sachkundeprüfungen, die Führung öffentlicher Register, die Ausstellung von Außenwirtschaftsdokumenten bis zur Bestellung von Sachverständigen. Siepmann: „Damit sind die Kammern fester Bestandteil eines Gemeinwesens, das wie der Staat auf einer solidarischen Finanzierung basiert.“ Erst die Pflichtmitgliedschaft lasse eine Interessenvertretung zu — unabhängig vom Druck einzelner Firmen oder Branchen.
Michael Wenge, Hauptgeschäftsführer der IHK Wuppertal-Solingen-Remscheid, betont, dass erst die gesetzliche Mitgliedschaft es möglich mache, dass die IHK alle Gewerbetreibenden ihrer Region gleichberechtigt vertreten — und nicht nur Einzelinteressen einiger Großunternehmen oder Branchen. „Das kann nur funktionieren, wenn alle mitmachen und sich an der Finanzierung beteiligen.“ Ansonsten könnten die finanzstarken Firmen das Sagen bekommen, nach dem Motto: „Wer bezahlt, bestellt die Musik“. IHK ersetzten staatliche Verwaltung — auch dies werde erst möglich durch die Pflichtmitgliedschaft.
Wenge warnt: „Ohne die Kammern müsste der Staat die Aufgaben mit zusätzlichem Verwaltungsaufwand — und entsprechenden Kosten — bestreiten. Pflichtbeiträge für IHK-Mitglieder vermeiden also höhere Steuern und Abgaben für alle.“ Die gesetzliche Mitgliedschaft sichere die politische Neutralität der IHK und garantiere deren Unabhängigkeit.