Kommt der Rettungsfonds ohne Limit?

Berlin/Madrid (dpa) - Zur Rettung der gemeinsamen Währung streiten die Euro-Staaten heftig über einen noch größeren Einsatz. Kontrovers wird diskutiert, dem künftigen Krisenfonds ESM zu erlauben, ohne Limit Kredite bei der Europäischen Zentralbank (EZB) aufzunehmen.

Pläne für eine solche Banklizenz stoßen bei der Bundesregierung weiter auf scharfen Widerstand. Die Krise trifft die Menschen in der Eurozone immer härter.

17,8 Millionen Menschen waren im Juni arbeitslos, gut zwei Millionen mehr als ein Jahr zuvor. In Spanien verlieren die Anleger das Vertrauen und ziehen das Geld von heimischen Banken ab.

Das Bundesfinanzministerium sprach sich erneut strikt gegen eine Banklizenz für den permanenten Euro-Rettungsschirm ESM aus und versetzte damit der Hoffnung auf eine schnelle Lösung der Euro-Schuldenkrise einen Dämpfer. Die Regularien des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) sehen keine Banklizenz vor, mit der eine Refinanzierung bei der Europäischen Zentralbank möglich wäre, erklärte das Ministerium. Zudem gebe es in der Frage einer möglichen Banklizenz für den ESM keinerlei Gespräche.

Die Idee, dem künftigen Schutzschirm ESM eine Art Banklizenz zu gewähren und so quasi unbegrenzte Mittel zur Verfügung zu stellen, wird nach Informationen der „Süddeutschen Zeitung“ (Dienstag) von Euro-Staaten wie Frankreich und Italien sowie führenden Mitglieder des EZB-Rates unterstützt.

Zuletzt war die Erwartung gestiegen, dass die EZB bereits an diesem Donnerstag aufs Neue Anleihen von Spanien oder anderen Krisenländer aufkauft, um so deren Zinsen zu drücken. Äußerungen von Notenbankern deuteten aber darauf hin, dass mit diesem Schritt doch nicht so schnell zu rechnen sei, berichtet die Zeitung „Die Welt“.

EZB-Präsident Mario Draghi hatte vergangene Woche angekündigt, alles Nötige zum Erhalt des Euros zu tun, was von vielen als Fingerzeig für neue Käufe von Staatsanleihen interpretiert wurde.

Frankreichs Staatschef François Hollande und Italiens Regierungschef Mario Monti sprachen sich indirekt für neue Interventionen auf den Märkten für Staatsanleihen aus. In einer gemeinsamen schriftlichen Stellungnahme kritisierten sie die „zu hohen Zinsen“, die mehrere Eurostaaten derzeit zahlen müssten. Die Reformanstrengungen wirken sich ihrer Ansicht nach zu wenig auf die Refinanzierungskosten aus. Hollande und Monti begrüßten zudem ausdrücklich die jüngsten Äußerungen Draghis.

Zuvor hatte bereits Bundeskanzlerin Angela Merkel bei Telefonaten mit Hollande und Monti eine Art Garantie-Erklärung für den Euro abgegeben.

In Deutschland wandten sich Koalitionspolitiker strikt gegen eine Banklizenz für den ESM. FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle sagte der „Welt“, das wäre „eine Inflationsmaschine und eine Vermögensvernichtungswaffe“. Der CDU-Finanzexperte Hans Michelbach sprach von einem gefährlichen Versuch, das Verbot einer direkten Staatsfinanzierung durch die EZB zu unterlaufen.

Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel sagte im NDR, den Aufkauf von Staatsanleihen in den Krisenländern durch die EZB könne man nur rechtfertigen, wenn man auch Einfluss auf das Handeln in diesen Staaten hätte. Dieser Einfluss fehle aber.

In Spanien ist das Vertrauen in die Banken soweit geschwunden, dass die Anleger immer mehr Geld ins Ausland schaffen. Die Kapitalflucht belief sich nach Angaben der Zentralbank allein im Mai auf 41,3 Milliarden Euro. Dies sei mehr als viermal so viel wie im entsprechenden Vorjahresmonat. In den ersten fünf Monaten dieses Jahres zogen Anleger nach Angaben der Zentralbank eine Rekordsumme von insgesamt 163 Milliarden Euro aus Spanien ab.

Die Wirtschaftskrise in den südlichen Euro-Ländern treibt die Arbeitslosigkeit auf neue Rekordstände. Spanien (24,8 Prozent) und Griechenland (22,5 Prozent nach Zahlen vom April) liegen an der Spitze der Eurozone. In den 17 Ländern waren 17,8 Millionen Menschen ohne Arbeit, 2 Millionen mehr als vor einem Jahr. Die Arbeitslosenquote liegt laut der EU-Statistikbehörde Eurostat bei 11,2 Prozent.

Trotz der gewaltigen Geldspritzen der EZB ist die Inflationsrate in der Eurozone nicht weiter gestiegen. Sie blieb im Juli bei 2,4 Prozent und damit seit Mai unverändert. Die EZB sieht bei einem Wert von knapp unter 2 Prozent die Preisstabilität gewährleistet.

Sorgen bereitet weiterhin auch Griechenland. Das neue Sparpaket, das 11,5 Milliarden Euro bringen soll, ist noch immer nicht unter Dach und Fach. Am Montagabend wurden die Verhandlungen zwischen den Koalitionsparteien - Konservative, Sozialisten und Demokratische Linke - erneut ohne Ergebnis vertagt. Der griechische Ministerpräsident Antonis Samaras traf sich am Dienstag überraschend mit den Experten der Geldgeber (Troika) in Athen. Ohne eine positive Bewertung der Troika soll Griechenland kein frisches Geld bekommen.