Gericht sieht keine Täuschung bei BER-Flugrouten

Leipzig/Berlin (dpa) - Aus juristischer Sicht kann der neue Hauptstadtflughafen am 17. März 2013 an den Start gehen. Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat am Dienstag Klagen von Anwohnern zurückgewiesen, die die Betriebsgenehmigung für den Airport kippen wollten.

Das Genehmigungsverfahren wird damit nicht wieder aufgerollt. Dies hatten die Kläger gefordert, weil sie von Täuschungen bei den Flugrouten ausgingen und bezweifelten, dass der Planfeststellungsbeschluss rechtmäßig zustande gekommen ist. Dem widersprachen die Leipziger Richter jedoch: „Für den Vorwurf der Arglist sieht der Senat keine Anhaltspunkte“, sagte der Vorsitzende des 4. Senats, Rüdiger Rubel.

Flughafen-Chef Rainer Schwarz zeigte sich erleichtert: „Das Urteil ist klar und deutlich.“ Die Kläger kündigten dagegen an, die jüngste Entscheidung vom Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe überprüfen zu lassen, um dem drohenden Fluglärm in Berlin und Brandenburg zu entgehen. Nach Expertenangaben wird dies aber keine aufschiebende Wirkung haben.

Die entscheidende Hürde für den neuen Flughafen könnte am 16. August genommen werden. Dann ist die nächste Sitzung des Aufsichtsrates, auf der vermutlich der neue Eröffnungstermin festgelegt wird. Dieser steht unter anderem wegen Problemen mit der Brandschutzanlage momentan unter Vorbehalt. „Nach jetzigem Stand steht nach wie vor der 17. März“, sagte Schwarz in Leipzig. Bei der Sitzung werde aber nochmals eine genaue Analyse vorgenommen.

Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD), der auch Aufsichtsratschef der Flughafengesellschaft ist, sagte: „Hier wird Klarheit geschaffen.“ Brandenburgs Verkehrs-Staatssekretär Rainer Bretschneider ergänzte: „Das ist ein wichtiger Schritt zu mehr Klarheit und Rechtssicherheit für alle Betroffenen.“ Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) sieht sich in seiner Auffassung bestätigt, dass die Landesregierung „mit diesem Standort auf sicherem Grund“ stehe. Der Richterspruch belege erneut die „sachgerechte Arbeit der Planfeststellungsbehörde.“ Berlin, Brandenburg und der Bund sind die drei Anteilseigner des Flughafens.

Die Berliner Piratenfraktion warnte jedoch: „Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ist kein Freifahrtschein für die Flughafengesellschaft.“ Die Betreiber seien vielmehr in der Pflicht, betroffenen Anwohnern gegenüber für einen vernünftigen Schallschutz zu sorgen.

Das Brandenburger Verkehrsministerium musste sich als Genehmigungsbehörde in Leipzig erneut eine Reihe von Fehlern vom Gericht vorhalten lassen. So hätte es bei der Prognose für die Anzahl der vom Lärm betroffenen Anwohner deutlich mehr mögliche Flugrouten berücksichtigen müssen. Außerdem hätte es die Unterlagen in weiteren Gemeinden - beispielsweise in Kleinmachnow und Teltow - auslegen müssen. Weitere Fehler seien auch bei der Prüfung von Auswirkungen des Milliardenprojektes auf Naherholungsgebiete - beispielsweise den Müggelsee - und die Umwelt gemacht worden.

Doch all dies führte nicht zu einem Erfolg der Kläger. Sie hatten um einen Neustart des Genehmigungsverfahrens gekämpft, um so gegen das ramponieret Vorzeigeprojekt klagen zu können. Nach Ansicht der Leipziger Richter hätten sie dies aber schon lange vorher tun können: Da Genehmigungsverfahren und Flugrouten-Planung generell nicht zusammen im Planfeststellungsverfahren festgelegt würden, blieben immer Unsicherheiten, so Richter Rubel. Dies sei allgemein bekannt. „Die Möglichkeit der Betroffenheit ergab sich aus der Nähe der Grundstücke zum Flughafen.“ Darum hätten die Betroffenen bereits 2004 gegen den Planfeststellungsbeschluss klagen können.

Für die Kläger kam die erneute Niederlage nach der mündlichen Verhandlung nicht unerwartet - löste aber Unmut aus. „Das Gericht hat unter seiner Robe kein Herz, sondern möglicherweise einen Flughafen“, sagte Michael Lippoldt, Sprecher der Bürgerinitiative Kleinmachnow. Er ging davon aus, dass die Initiatoren beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe weiterkämpfen.

Das Bundesverwaltungsgericht hatte 2006 grünes Licht für das „Verkehrsprojekt Deutsche Einheit“ gegeben - damit war der Planfeststellungsbeschluss rechtskräftig. Die Kläger vertraten jedoch die Auffassung, dass das Urteil auf falschen Angaben basierte. Sie hatten den Behörden vorgeworfen, beim Genehmigungsverfahren 2004 bewusst andere Flugrouten vermerkt zu haben als erforderlich. Endgültig festgelegt wurden die Routen aber erst vor einem halben Jahr nach einem gesonderten Verfahren.

Nach Ansicht der Leipziger Richter hatten die Planer zwar nicht offen gelegt, dass die Deutsche Flugsicherung (DFS) für einen unabhängigen Betrieb der Start- und Landebahnen nicht nur parallele, sondern aus Sicherheitsgründen auch abknickende Abflugrouten planen würde. Dies sei aber bei der Grobplanung vertretbar gewesen - auch wenn ein Hinweis wünschenswert gewesen wäre, betonte Rubel.

Letztlich entscheidend ist aus Sicht des Gerichts: Egal welche Routen festgelegt werden, die Anzahl der vom Fluglärm betroffenen Menschen ändert sich dadurch kaum.