Vor Diesel-Gipfel Kommunen attackieren Minister Scheuer: „Schlichtweg eine Unverschämtheit“

Berlin · An diesem Montag treffen sich Bund und Kommunen zum dritten Dieselgipfel in Berlin. Dabei dürfte die Bundesregierung auch von NRW-Oberbürgermeistern einiges an Kritik zu hören bekommen.

Fahrverbot für Dieselautos in Stuttgart: Die Kommunen bemängeln zu viel Bürokratie und fordern mehr Geld. Foto: Christoph Schmidt

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Kurz vor dem „Dieselgipfel“ mit der Bundesregierung wehren sich Kommunen massiv gegen Kritik von Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU).

Der Präsident des Kommunalverbandes VKU und Mainzer Oberbürgermeister Michael Ebling sagte der Deutschen Presse-Agentur: „Ich habe die klare Erwartung, dass es ein Bekenntnis der Bundeskanzlerin dazu gibt, dass sie nicht dem Bundesverkehrsminister folgt, der nun den Kommunen den schwarzen Peter hinschiebt, sondern dass sie deutlich macht, dass wir weiterhin in dieser Frage zusammenarbeiten wollen.“ Ebling forderte außerdem dauerhaft mehr Geld für die Städte, um den Schadstoff-Ausstoß zu senken und Fahrverbote zu verhindern.

Scheuer hatte in der Dieselkrise an die Verantwortung der Kommunen erinnert. „Wir werden auch die Kommunen in die Pflicht nehmen“, hatte er im Bundestag gesagt. Er habe kein Verständnis dafür, dass Kommunen mit alten Luftreinhalteplänen vor Gericht scheiterten und dann Fahrverbote angeordnet würden: „Es gibt aus diesem Ministerium für Kommunen künftig nur noch Förderungen, wo aktuelle Luftreinhaltepläne vorgelegt werden, weil das ist auch eine Verantwortung vor Ort.“

Die Äußerungen seien „schlichtweg eine Unverschämtheit“, sagte Ebling. Scheuer belaste damit das Treffen im Kanzleramt am Montag schwer. „Scheuer sucht sich nun ziemlich feige die Kommunen aus, die nichts anderes tun als seit Jahren konsequent für den Ausbau des ÖPNV zu sorgen und konsequent dafür einstehen, die Luft kontinuierlich zu verbessern - im übrigen über weite Strecken ohne irgendeine Hilfe von außen.“ Die Bundeskanzlerin müsse klare Worte finden, dass sie den Kommunen mehr zutraue als ihr Bundesverkehrsminister.

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) kommt am Montag mit Scheuer und anderen Mitgliedern der Bundesregierung mit Vertretern von Kommunen zusammen. Dabei geht es um die Umsetzung von Maßnahmen für bessere Luft in Städten, um Diesel-Fahrverbote zu verhindern. Städte kritisieren aber zu viel Bürokratie bei der Umsetzung eines „Sofortprogramms“, außerdem würden Förderanträge nicht genehmigt, weil Geld fehle.

In vielen Städten werden vor allem durch Diesel-Abgase Schadstoff-Grenzwerte überschritten. Gerichte haben für mehrere Städte Fahrverbote für ältere Diesel angeordnet, die 2019 umgesetzt werden sollen. In Hamburg gibt es bereits Streckensperrungen.

Ebling kritisierte Scheuer auch mit Blick auf seinen Kurs gegenüber der Autobranche: „Beim Fußball ist es einfacher: wer böse foult, der fliegt vom Platz und hier belässt der Schiri in Form von Herrn Scheuer es einfach bei einer peinlichen Ermahnung - während Millionen Diesel-Fahrer die Rote Karte bekommen. Gerechtigkeit geht anders.“

Der Präsident des Verbands kommunaler Unternehmen (VKU) warf der Bundesregierung vor, das Diesel-Thema unterschätzt zu haben. Inzwischen gebe es Fahrverbote in Wirtschaftsregionen wie dem Rhein-Main-Gebiet oder dem Ruhrgebiet. „Sie drohen genau das wahr zu machen, was wir befürchtet haben - nämlich, dass dem kommunalen Leben unter Umständen den Stecker gezogen wird. Insofern gibt es eine klare Erwartung von Seiten der Kommunen, dass die Bundesregierung deutlich macht, dass sie ihre bisherigen Anstrengungen verstetigt.“

Die Regierung müsse am Montag zusagen, dass Förderanträge gerade für Elektrobusse auch genehmigt würden. Das bedeute sicherlich, dass man auch Geld „nachschießen“ müsse. Es gehe zudem um eine dauerhafte Förderung. Staus seien in Großstädten an der Tagesordnung. „Deswegen brauchen wir zur Stärkung des ÖPNV und des Umstiegs vom Pkw auf Jahre angelegte dauerhaft wirkende Programme für eine echte Verkehrswende. Die Themen Diesel und Klagen sind nur die Spitze des Eisbergs.“

or dem dritten Dieselgipfel am Montag in Berlin haben Stadtoberhäupter aus Nordrhein-Westfalen deutlich mehr Unterstützung von der Bundesregierung gefordert. So kritisierte der Essener Oberbürgermeister Thomas Kufen (CDU) im «Spiegel», Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) verkenne die Lage, wenn sie fordere, die Luftreinhaltepläne müssten zur Chefsache in den deutschen Rathäusern werden. Er mache längst das, was Kommunalpolitiker kurzfristig machen könnten. Es seien die Berliner Politiker gewesen, die es versäumt hätten, im Dieselskandal Druck auf Autokonzerne auszuüben: «Einfluss auf die Autoindustrie hat nur die Bundesregierung, nicht wir», sagte Kufen.

Auch Kritik aus NRW

Auch die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker forderte die Bundesregierung auf, «die Kommunen gegenüber der Autoindustrie mit aller Kraft zu unterstützen». Dazu gehörten rasche Hardware-Nachrüstungen und Umtauschprämien, sagte Reker der Deutschen Presse-Agentur. Ein großes Problem sei es zudem, einigermaßen zügig an Fördermittel etwa für die Elektrifizierung des Verkehrs zu kommen. Die Städte würden hier «im Auflagen- und Nachweis-Dschungel alleine gelassen», kritisierte die parteilose Politikerin.

Köln bereitet sich auf weitgehende Fahrverbote vor. Das Verwaltungsgericht hatte im November entschieden, dass die Millionenstadt ab April 2019 ältere Dieselautos aus dem größten Teil des Stadtgebiets ausschließen muss. Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen hatte unter anderem eine Fahrverbotszone für Essen angeordnet, zu der auch die stark befahrene Autobahn 40 gehört.

Der FDP-Verkehrspolitiker Oliver Luksic sagte der dpa, weder das „Sofortprogramm saubere Luft“ noch die danach folgenden Konzepte der Bundesregierung hätten gerichtlich verhängte Fahrverbote verhindern können. Die Kommunen stünden machtlos der Klagewelle der Deutschen Umwelthilfe gegenüber und sollten jetzt eine „völlig maßlose Diesel-Raster-Fahndung zur Überwachung von Fahrverboten“ durchführen.

Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages, Helmut Dedy, sagte der „Passauer Neuen Presse“: „Wir werden im Kanzleramt deutlich machen, dass die Autoindustrie Hardware-Nachrüstung und Umtauschprämien bundesweit anbieten muss und nicht nur in 15 Städten. Das muss der Bund bei den Herstellern einfordern.“

Kanzleramtsminister Helge Braun rief die Kommunen auf, das „Sofortprogramm“ des Bundes zu nutzen und Maßnahmen zur Vermeidung von Fahrverboten umzusetzen. „Wichtig ist nun, dass alle auf den Weg gebrachten Maßnahmenpakete zügig und wirksam von allen Beteiligten in ihren jeweiligen Verantwortlichkeiten umgesetzt werden“, sagte der CDU-Politiker der „Rheinischen Post“. „Die Programme werden stark nachgefragt, Bescheide über 600 Millionen Euro sind bereits übergeben.“

(dpa)