Konjunktur: Aufschwung „extra stark“
Die Bundesregierung erhöht ihre Prognose für 2011 auf 2,3 Prozent.
Berlin. Diese Zahlen sind für jeden Volkswirt ein Traum. Rainer Brüderle ist kaum zu bremsen: Siebenmeilenstiefel, Vollgas zur Vollbeschäftigung, der „extra starke“ Aufschwung als Fortsetzungsroman. Der liberale Wirtschaftsminister strotzt vor Selbstbewusstsein und bringt Bonmots unters Volk, während er seinen Jahreswirtschaftsbericht präsentiert.
Selbst wenn man den Frohsinn des Pfälzers abzieht, bleiben die Fakten in der Tat recht überzeugend: Die Arbeitslosigkeit sinkt demnach 2011 auf unter drei Millionen und ist so niedrig wie seit 20 Jahren nicht mehr. Viele Vollzeitstellen sind dabei, selbst Langzeitarbeitslose finden wieder Jobs. 2011 werden in Deutschland fast 41 Millionen Menschen arbeiten — ein Rekord, so kurz nach der Wirtschaftskrise. Und ihre Wachstumsprognose für das laufende Jahr erhöht die Bundesregierung von 1,8 auf 2,3 Prozent deutlich.
Beflügelt von diesen Perspektiven nutzt Brüderle am Mittwoch seinen Auftritt für einen Rundumschlag gegen Nörgler in Europa und Washington. Sie wollten das Super-Comeback der Deutschen mit starren Exportquoten bremsen, um die Ungleichgewichte in der Weltwirtschaft auszugleichen. Brüderle geißelt so etwas als Planwirtschaft. Die Importe seien so hoch wie nie, alle profitierten von deutschen Aufträgen: „Das sei all denen ins Stammbuch geschrieben, die uns wegen der Exportstärke an den Pranger gestellt haben.“
Vielsagend zurückhaltend äußert sich Brüderle zur Inflation. Der Anstieg der Verbraucherpreise werde 2011 mit 1,8 Prozent moderat ausfallen, die real verfügbaren Einkommen der Bürger würden um 3,4 Prozent steigen. Dabei beunruhigt eine drohende Geldentwertung die Deutschen ganz besonders, die alle zusammen 4,8 Billionen Euro auf der hohen Kante haben. Viele Anleger sind schon in Sachwerte geflüchtet, kauften Gold und Immobilien.
Denn trotz der beschwichtigenden Worte der Regierung rollt die Inflationswelle. Die Notenbanken öffneten nach der Finanzkrise die Schleusen und fluteten die Märkte mit billigem Geld. Die Europäische Zentralbank kaufte im großen Stil marode Bonds von Pleitekandidaten wie Griechenland, Irland und Portugal. Das bereitet einen Nährboden. Weltweit knappe Rohstoffe verstärken den Trend. Der Chef des Exportverbandes BGA, Anton Börner, warnt: „Ich hoffe, dass wir nicht sogar zweistellige Inflationsraten bekommen.“
Die Verbraucher spüren das bereits. Benzin kostet gut 1,50 Euro, die Preise für Strom, Mieten, Lebensmittel ziehen an. Die schwarz-gelbe Koalition tut ihr übriges: Kassenbeiträge wurden angehoben, die Flugsteuer verteuert Reisen.
Noch traut sich die EZB nicht, die Zinsen zu erhöhen. Das starke Deutschland könnte das verkraften, doch in vielen schwächeren Ländern würde es die Schuldenkrise anheizen. Aus diesem Dilemma wollen die EU-Spitzen langfristig mit ehrgeizigen Reformen heraus und so den Euro stabilisieren.