Düsseldorf. Krankmeldung per WhatsApp - Arbeitsrechtler halten Angebot für fragwürdig

Düsseldorf · Krankschreibung per WhatsApp - ein Hamburger Unternehmen will das möglich machen. Während Firmengründer Can Ansay von seiner Idee überzeugt ist, halten Ärztekammer und Arbeitsrechtler das Angebot für fragwürdig. 

Arbeitnehmer, die krank sind, brauchen eine entsprechende Bescheinigung, damit die Firma den Lohn trotz Abwesenheit zahlt.

Foto: dpa/Arno Burgi

Es klingt sehr vernünftig: Wer eine starke Erkältung hat und deshalb nicht zur Arbeit gehen kann, spart sich den Weg zum Arzt, steckt im Wartezimmer niemanden an und besorgt sich seine Krankschreibung stattdessen von zu Hause aus per WhatsApp. Aber ist das wirklich rechtens?

Firmengründer Can Ansay bejaht diese Frage natürlich. Der Jurist ist sicher, mit seinem Hamburger Unternehmen namens AU-Schein kurz vor Weihnachten eine Idee mit Zukunft an den Start gebracht zu haben.

Wer die Krankschreibung per WhatsApp will, muss im Internet zunächst ein Formular ausfüllen, in dem klassische Erkältungssymptome abgefragt werden. Danach müssen über den Ende-zu-Ende verschlüsselten Messenger-Dienst persönliche Daten und ein Foto der Versichertenkarte übertragen werden. Nach Prüfung durch einen Arzt wird die Krankschreibung dann digital als Foto sowie gedruckt per Post zugesandt. Alles entspreche der Datenschutz-Grundverordnung, versichert Ansay.

Während die Bescheinigung in der Arztpraxis kostenfrei ist, berechnet Ansay für seinen Service neun Euro. „Wir versuchen zur Zeit, Verträge mit Krankenversicherungen zu schließen, damit der Patient nichts zahlen muss“, so der Unternehmer. Privatpatienten zahlen wie beim normalen Praxis-Arzt gegen Rechnung zusätzlich 16,08 Euro gemäß der Gebührenordnung.

Service gilt nur für Patienten mit Erkältungs-Symptomen

Ansay hält sein Angebot für rechtens, weil im vergangenen Jahr eine Lockerung des Fernbehandlungsverbots erfolgt sei. Um Tricksereien keinen Vorschub zu leisten, hat der Unternehmer sein Angebot auf maximal zwei Krankschreibungen pro Patient und Jahr beschränkt. Zudem gilt der Service ausschließlich für Patienten mit Erkältungs-Symptomen.

Auf erheblichen Gegenwind stößt das neue Geschäftsmodell bei der Ärztekammer Hamburg. Deren Sprecherin Nicola Timpe fragt: „Wie stellt die Ärztin/der Arzt sicher, dass der Mensch, welcher das Foto einer Versichertenkarte über WhatsApp schickt, tatsächlich a) krank ist und b) der Patient ist, der auf der Versichertenkarte genannt ist?“ Husten und Heiserkeit könne man am Telefon wenigstens noch hören, über WhatsApp oder einen Fragebogen sei das nicht möglich.

Zudem verweist Timpe aus die Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie. Dort sei klar geregelt, dass die Feststellung von Arbeitsunfähigkeit nur aufgrund einer ärztlichen Untersuchung erfolgen dürfe. „Eine Krankschreibung aus der Ferne ist daher nach geltender Rechtslage nicht möglich – unabhängig von der geltenden Fassung der Berufsordnung“, so die Sprecherin. Sie hält es für fraglich, ob ein Arbeitgeber im Falle von gesetzlich versicherten Arbeitnehmern die Krankschreibung per WhatsApp akzeptieren oder die Lohnfortzahlung verweigern.

Diese Zweifel teilt der Arbeitsrechtler Jan Schiller von der Kanzlei CMS. Auf Nachfrage dieser Zeitung sagt der Anwalt, dass die AU-Bescheinigung formal in Ordnung sei, wenn sie dem Arbeitgeber nicht nur digital, sondern auch in schriftlicher Form vorgelegt werde. Dies könne die Firma AU-Schein zwar gewährleisten, wenn auch mit der Verzögerung von mindestens einem Tag. Sehr fragwürdig sei aber das Zustandekommen der Bescheinigung, da es zwischen Arzt und Arbeitnehmer keinen direkten Kontakt gebe. Das lege den Verdacht nahe, die Bescheinigung könne erschlichen sein. Rechtlich benötigen Arbeitnehmer für eine Krankschreibung in den ersten drei Tagen keine Bescheinigung – es sei denn, der Arbeitgeber fordert dies. Schiller: „Das ist im Einzelfall ab dem ersten Tag möglich. Im Zweifel werden Arbeitgeber das verlangen.“