Lebensmittelbranche unter Druck
München/Berlin (dpa) - „Wir müssen draußen bleiben“ - das gilt für viele EU-Lebensmittel auf dem russischen Markt.
Manche Erzeuger und Unternehmen trifft der Anfang August von Moskau verhängte Importstopp für Fleisch, Obst, Gemüse und Milchprodukte unmittelbar, weil sie ihre Waren nicht mehr liefern können und stattdessen einlagern müssen.
Zudem wachsen die Sorgen um ein Überangebot, das die Preise ins Rutschen bringen dürfte. Das freut zwar die Verbraucher, bringt aber zusätzlichen Druck in eine Branche, die immer wieder auch saisonal bedingt mit Überkapazitäten und mit einer extremen Preissensibilität der Kunden kämpft.
Probleme auf dem Absatzmarkt Russland sind dabei nicht neu: Schon vor eineinhalb Jahren beispielsweise erließ Russland eine Einfuhrsperre für bestimmte Milchprodukte aus mehreren deutschen Bundesländern, die nun ausgeweitet wurde. Damit brach einer der wichtigsten Exportmärkte für deutschen Käse weg, was beispielsweise die traditionsreiche Käserei Champignon aus dem Allgäu zu spüren bekam. „Das hat uns auch finanzielle Einbußen gebracht“, sagt die Leiterin Qualitätsmanagement bei Champignon, Angelika Schlößer, ohne konkrete Zahlen zu nennen. Ähnlich erging es vielen bayerischen Molkereigenossenschaften. Aber auch etwa für Schweinefleisch aus der EU galt schon seit Monaten ein Importverbot, das Russland mit der Furcht vor der Schweinepest begründet hatte.
Viele Unternehmen bauen deshalb ihren Vertrieb in anderen Ländern aus oder halten nach neuen Abnehmern Ausschau, beispielsweise in Fernost. „China ist inzwischen für Deutschland wichtigster Drittlandsmarkt bei der Milch geworden“, sagt Björn Börgermann vom Milchindustrie-Verband. Studien zufolge dürfte die Milchproduktion im Reich der Mitte auf absehbare Zeit nicht ausreichen, um die wachsende Nachfrage zu decken. Das könnte auch in der derzeitigen Krise für Entlastung sorgen. Andere Anbieter wie die Allgäuer Molkerei Ehrmann, haben eigene Werke in Russland. Vorstandsmitglied Jürgen Taubert sieht Ehrmann daher nicht unmittelbar von dem Importstopp betroffen. Das Werk nahe Moskau verarbeitet Milch aus lokaler Produktion.
Nach Absatz-Alternativen suchen derweil auch die deutschen Obst- und Gemüsebauern. Vor allem die Apfel-Bauern am Bodensee, aber auch im Alten Land hatten Alarm geschlagen, weil rund 25 000 Tonnen Äpfel in diesem Jahr nicht auf dem russischen Markt abgesetzt werden können - und das bei einer ungewöhnlich üppigen Ernte. Hinzu kommen Exportüberschüsse für das Kernobst auch aus anderen Ländern wie Polen oder Litauen, was die Erzeugerpreise zusätzlich unter Druck bringen dürfte. Henning Ehlers, Generalsekretär des Deutschen Raiffeisenverbandes, stellt sich daher auf ein schwieriges Vermarktungsjahr ein: „Wir appellieren deshalb an den Lebensmitteleinzelhandel, der sich in früheren Jahren ausdrücklich dazu bekannt hat, regionale Produkte ins Regal zu nehmen, diese Zusagen auch einzuhalten.“
Beim Branchenverband BVLH stößt er dabei durchaus auf offene Ohren. „Wir begrüßen es, wenn Verbraucher Waren aus der Region kaufen“, sagt Verbandssprecher Christian Böttcher. Klar ist dabei: Anders als etwa Milch, die zu Milchpulver verarbeitet werden kann, lässt sich das Kernobst nicht ohne weiteres haltbar machen oder umleiten. So sind deutsche Äpfel bisher auf dem chinesischen Markt nicht zugelassen. Zwar hofft man auf Rückendeckung von Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU), der zugesagt habe, sich als Türöffner für deutsche Agrarprodukte in Asien betätigen zu wollen, sagt Ehlers. „Das wird aber nicht von heute auf morgen gehen.“