Karstadt: Jetzt wird es hart
17 000 Beschäftigte haben vergebens auf den großen Befreiungsschlag gewartet. Stattdessen ist von Schließungen die Rede.
Essen. Dunkle Wolken über Karstadt: Nach der mit Spannung erwarteten Krisensitzung des Aufsichtsrats wächst die Sorge um die Zukunft des Essener Traditionsunternehmens. Wer auf einen Befreiungsschlag und größere Investitionen in die Modernisierung durch den neuen Karstadt-Eigentümer René Benko gehofft hatte, wurde enttäuscht. Der harte Sanierungskurs, den er mit dem Warenhauskonzern einschlägt, lässt eine düstere Zukunft für die Mitarbeiter erahnen.
Stellenstreichungen unter den 17 000 Beschäftigten und das Aus für ganze Filialen sind bei Karstadt plötzlich kein Tabu mehr — auch wenn es bei der Sitzung am vergangenen Donnerstag zunächst nicht um die Schließung konkreter Standorte ging. Für weitere Beratungen hat sich der Aufsichtsrat eine Frist von sechs Wochen bis zum nächsten Treffen Ende Oktober gesetzt.
Am Wochenende sickerten jedoch bereits erste Zahlen zu möglichen Sanierungsplänen durch. Die „Bild am Sonntag“ zitierte aus einem achtseitigen Konzept, mit dem das Kontrollgremium Führungskräfte auf einen harten Sanierungskurs einstimmt. Mindestens 209 Millionen Euro koste eine Sanierung. Den 83 Filialen stünden Einschnitte bevor: Weniger Personal, weniger Kassen. Daneben sollen allein in der Essener Zentrale 20 Prozent der Stellen abgebaut werden, berichtet das Blatt.
Um Karstadt jetzt noch zu retten, wäre eine „umfassende Sanierung“ notwendig, fordert auch der Sanierungsfachmann Harald Linné von der Managementberatung Atreus. „Die Chance für andere Optionen wurde in den letzten Jahren verpasst“, so Linné. Benko-Vorgänger Nicolas Berggruen habe nicht nur die „Komplexität des Problemfalls“ unterschätzt, sondern auch in „fahrlässiger Art und Weise“ nicht in die Weiterentwicklung des Unternehmens investiert.
Vor allem die Beschäftigten des Warenhausunternehmens sind alarmiert: „Man bereitet die Arbeitnehmervertreter auf harte Einschnitte vor und vertagt das bis zur nächsten Sitzung“, beschreibt Experte Gerd Hessert von der Universität Leipzig die aktuelle Situation. „Man überprüft jede Filiale, ob ein Personalabbau notwendig ist.“
Doch die Personaldecke in den Warenhäusern sei schon deutlich ausgedünnt: Wo noch vor einigen Jahren ein Verkäufer im Warenhaus durchschnittlich für eine Fläche von 60 Quadratmetern zuständig gewesen sei, liege dieser Wert heute schon bei etwa 76 Quadratmetern. „Die kritische Personaldecke ist in vielen Warenhäusern bereits unterschritten“, stellte Handelsexperte Gerrit Heinemann von der Hochschule Niederrhein fest.
Gut laufende Karstadt-Filialen könnten von Benko in seine Premium-Group eingegliedert werden, meinte Hessert. Auf längere Frist sieht er — unabhängig von dem jeweiligen Eigentümer — jedoch nur eine Überlebenschance für eine Minderheit unter den Warenhäusern: „Ich glaube, dass in Deutschland von aktuell 191 Warenhausstandorten langfristig 70 Bestand haben“, meinte er.