Leica-Aufsichtsratschef: Gier ist schlechter Ratgeber

Solms (dpa) - Vor sechs Jahren drohte dem Kamera-Hersteller Leica das Aus. Heute kann sich das Traditionsunternehmen aus dem mittelhessischen Solms vor Aufträgen kaum retten. „Bei Objektiven haben wir derzeit Lieferfristen von bis zu einem Jahr, wir versuchen sie auf sechs Monate zu drücken“.

Anzeichen für eine Konjunkturkrise kann er bisher nicht erkennen. „Wirtschaftlich gesehen gibt es auch keinen Grund dafür. Auf die Botschaften der Finanzmärkte kann man teilweise nicht mehr hören“, sagte Großaktionär und Aufsichtsratschef Andreas Kaufmann der Nachrichtenagentur dpa.

„Man kann allerdings auch nicht permanent Renditen von 20 Prozent erzielen wollen. Gier ist ein schlechter Ratgeber“, sagte er weiter. „Alles mit Maß kann eine relativ hilfreiche Richtschnur beim Wirtschaften sein. Wir brauchen Gewinn, aber keinen exzessiven.“ 2004 kaufte die Beteiligungsfirma ACM, die Kaufmann gemeinsam mit seinen Brüdern gegründet hatte, erste Anteile an Leica, mittlerweile sind es mehr als 95 Prozent. Das Engagement ist langfristig angelegt. „Wir kaufen nicht, um dann schnell wieder rauszugehen“, sagt Kaufmann. „Das entspricht nicht meinem Verantwortungsgefühl, wir haben es mit Menschen zu tun“.

In den nächsten Jahren will das Unternehmen seine Präsenz unter anderem in China und Südostasien ausbauen. Einen ersten Leica-Store gibt es beispielsweise bereits in der malaysischen Hauptstadt Kuala-Lumpur. „Wir haben derzeit einen Marktanteil von 0,15 Prozent weltweit. Da ist noch Luft drin“, sagt Kaufmann. „Wir wollen allerdings kein Massenhersteller werden, unsere Produkte sollen für hohe Qualität stehen und etwas besonderes sein, sie sollen sexy sein“.

Kaufmanns ACM beteiligt sich vor allem an mittelständischen Unternehmen. An Leica reizte den Österreicher der Mythos der Marke, mit deren Kameras bekannte Fotografen wie Henri Cartier-Bresson oder Robert Capa arbeiteten. Wie dramatisch die Lage in Solms war, stellte Kaufmann kurz nach seinem Einstieg fest. Große Teile des Eigenkapitals waren aufgezehrt, die Banken froren die Kredite ein. „Wir standen vor der Frage verkaufen wir oder restrukturieren wir“, berichtet der 57-Jährige.

Die Entscheidung für die Restrukturierung hat der Österreicher nicht bereut, „auch wenn es teilweise ein Ritt über den Bodensee war“. Mit neuen Produkten, zum Beispiel digitalen Versionen der berühmten Kleinbildkamera M und einem neuen Spiegelreflexsystem, schaffte das Unternehmen den Weg aus der Krise. Im vergangenen Jahr erzielte der Konzern, der rund 1150 Mitarbeiter beschäftigt, ein Rekordergebnis von 10,8 Millionen Euro, erstmals seit 1997 gab es auch wieder eine Dividende.

„In den nächsten Jahren gibt es noch viele interessante Entwicklungen, und wir haben gute Leute, die für etwas glühen“, sagt Kaufmann. 2013 soll das Unternehmen von Solms nach Wetzlar in den Leitz Park umziehen. Dort will die ACM ein neues Zentrum der optischen und feinmechanischen Industrie schaffen.