Libor-Skandal: Bafin-Vorwürfe gegen weitere Deutsche-Bank-Manager
Frankfurt/Main (dpa) - Der Libor-Skandal um manipulierte Zinssätze hält die Deutsche Bank auch nach dem Abschied von Co-Chef Anshu Jain und Milliarden-Strafen weiter in Atem.
Vier amtierende Vorstände und zwei weitere Top-Manager des Instituts sehen sich mit schweren Vorwürfen der Finanzaufsichtsbehörde Bafin konfrontiert.
Sie seien ihren Kontrollpflichten nicht ausreichend nachgekommen und hätten Aufseher bei der Aufarbeitung der Affäre unvollständig und zum Teil unzutreffend informiert, heißt es im bereits im Mai fertiggestellten Untersuchungsbericht der Behörde, den das „Wall Street Journal“ in der Nacht zu Freitag im Internet veröffentlichte.
Zu möglichen Konsequenzen des Berichts hielt sich die Deutsche Bank bedeckt. „Es wäre unangemessen, zum jetzigen Zeitpunkt Schlussfolgerungen hinsichtlich des Verhaltens der Bank oder einzelner Personen zu ziehen“, hieß es in einer Stellungnahme.
„Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass ihre detaillierten Antworten aus Respekt vor dem aufsichtsrechtlichen Procedere in nicht-öffentlicher Form erfolgen.“ Der Bericht enthalte zudem Aussagen, die aus dem Zusammenhang gerissen seien.
Die Bafin äußerte sich dazu nicht. Weitere aufsichtsrechtliche Folgen sind nach früheren Angaben der Behörde nicht ausgeschlossen. Das entscheidet sich nach Auswertung der inzwischen bei der Behörde eingegangenen Stellungnahme der Bank. Als eines ihrer schärfsten Schwerter kann die Bafin Bankvorstände abberufen.
Wie bereits bekannt war, belastete die Behörde in ihrem Bericht den bisherigen Co-Chef Jain schwer. Zu Monatsbeginn nahm er seinen Hut. Er wurde von John Cryan ersetzt, der bis zur Hauptversammlung im Mai 2016 die Bank zusammen mit Jürgen Fitschen führen und danach allein leiten soll. Nach früheren Angaben der Bank haben die im Juni bekanntgebenen Personalien nichts mit den Libor-Ermittlungen zu tun.
Heftige Kritik übt die Bafin in dem Bericht an dem im Vorstand unter anderem für regelkonformes Verhalten (Compliance) zuständigen Stephan Leithner. So soll die Bank intern schon 2008 nach einem entsprechenden Pressebericht über die Manipulationsanfälligkeit des Libor-Zinssatzes gesprochen haben.
Fünf Jahre später habe Leithner auf dem Höhepunkt der Libor-Ermittlungen in einer Mail gemahnt, nichts über die einstigen Diskussionen gegenüber der Presse zu erwähnen, „da ansonsten die Frage aufkommt, warum niemand bei der Deutschen Bank damals reagiert hat“.
Kritisiert wird auch der für die IT der Bank zuständige Vorstand Henry Ritchotte. Ihm wirft die Bafin vor, dass die Systeme des Instituts Fehlverhalten erst ermöglicht hätten. Laut „WSJ“ verteidigt sich der Manager damit, dass er seit seinem Amtsantritt an einer Verbesserung arbeite. Dem früheren Finanzvorstand Stefan Krause werfen die Aufseher vor, in den von ihm geleiteten Untersuchungen nicht genau hingeschaut zu haben. Er ist derzeit im Vorstand für das globale Transaktionsgeschäft, die Abwicklungseinheit und die Tochter Postbank zuständig.
Auch Chefjustiziar Richard Walker und Risikovorstand Stuart Lewis attackiert die Bafin. Sie sollen die Informationsgesuche von US-Ermittlern nicht ernst genug genommen haben. Zudem sollen sie bei der Bafin irreführende Angaben gemacht haben. Die mangelnde Kooperation hatten die britische und amerikanische Behörden im Frühjahr als einen wichtigen Grund angegeben, weshalb sie die Deutsche Bank zu einer Rekordstrafe von 2,5 Milliarden Dollar (2,3 Mrd Euro) verdonnerten.
„Schwerwiegende“ Versäumnisse bescheinigt die Bafin dem Vermögensverwaltungschef Michele Faissola. Der frühere Investmentbanker und Jain-Vertraute soll ebenfalls Informationen zurückgehalten und trotz früher Hinweise auf Manipulationen das Prozedere bei der Feststellung des Libor nicht geändert haben.
Die Deutsche Bank betonte, dass sie zahlreiche der in dem Bafin-Bericht geäußerten Bedenken wegen mangelnder Kontrollen inzwischen behoben habe und an weiteren Verbesserungen arbeite. Grundsätzlich sehe sich das Institut aber weiter in seiner Einschätzung bestätigt, wonach kein heutiges oder früheres Mitglied des Vorstands oder des erweiterten Vorstands Mitarbeiter angewiesen habe, die Zinssätze zu manipulieren. Zudem habe kein Top-Manager von den Verfehlungen vor Juni 2011 Kenntnis gehabt.
Vor der Strafe in den USA und Großbritannien hatte bereits die EU-Kommission der Bank wegen verbotener Absprachen beim Interbankenzinssatz eine 725 Millionen Euro-Buße aufgebrummt. Der Libor-Satz gibt an, zu welchem Zins sich Banken gegenseitig Geld leihen. Daran sind Finanzprodukte in Billionenhöhe gekoppelt. Festgelegt wurden die Kurse aber lediglich von einigen wenigen Banken fast ohne öffentliche Kontrolle. Das nutzten zahlreiche Händler, die Zinssätze zugunsten eigener Geschäfte zu manipulieren.