Markt für Börsengänge zieht wieder an
Frankfurt/Main (dpa) - Deutschland hinkt bei Börsengängen anderen Finanzplätzen weiter spürbar hinterher. Während nach Finanz- und Eurokrise andernorts wieder kräftig Geld eingesammelt wird, bleibt die Quelle am deutschen Emissionsmarkt weiter trocken.
Dabei dürfte das Geld eigentlich so locker sitzen wie selten zuvor: Weltweit sorgte die Liquiditätsschwemme der Notenbanken trotz verhaltenen Wirtschaftswachstums für steigende Aktienkurse.
Die Musik bei Erstemissionen (im Englischen IPO genannt für „Initial Public Offering“) spielt aber vorwiegend außerhalb Deutschlands. In Asien und vor allem in China, in den USA, aber auch in Europa kann sich die Bilanz 2014 bislang sehen lassen.
Nach Zahlen der Unternehmensberatung EY (ehemals Ernst & Young) legt das Geschäft mit dem Sprung aufs Parkett wieder deutlich zu. Weltweit stieg das Emissionsvolumen in den ersten drei Monaten im Vergleich mit dem Vorjahresszeitraum demnach um knapp drei Viertel auf 42,6 Milliarden US-Dollar.
„Der Risikoappetit zieht nach erfreulicher Entwicklung in allen Industriesektoren an“, sagt Martin Steinbach, bei EY zuständig für Börsengänge in der Region Europa, Naher Osten und Indien. Viele Hedgefonds wollten jetzt aus ihren Beteiligungen aussteigen und ihre Investments an der Börse mit Gewinn verkaufen. Das soll dem Markt auch im zweiten Quartal Schub geben.
In Deutschland heißt es aber weiter Warten. Im letzten Jahresviertel 2013 wurden 30 Millionen Euro eingesammelt, in den ersten drei Monaten des laufenden Jahres stand laut Wirtschaftsprüfer PwC sogar eine Null unterm Strich. Die Experten zählen in dieser Statistik nur solche Kapitalmaßnahmen, die auch echtes neues Geld in die Kassen der Unternehmen spülen. Vor einem Jahr waren das noch mehr als eine Milliarde Euro.
Vergleiche fallen im IPO-Markt zwar generell schwer. Die Zahlen schwanken stark, das eingesammelte Kapitalvolumen steht und fällt mit größeren Platzierungen. Die Tendenz ist für Deutschland aber dennoch ernüchternd.
Dabei weiß auch unter deutschen Experten kaum einer so richtig, warum sich niemand an die Börse zu trauen scheint. „Es gab zwar in jüngster Zeit Börsengänge zum Beispiel über Abspaltungen wie bei Osram oder über Privatplatzierungen wie bei Evonik - aber das klassische öffentliche Angebot, das fehlt“, sagt Kay Baden, der für die Unternehmensberatung Kirchhoff Consult Börsengänge begleitet.
Die Börse ist für Deutschlands Unternehmen oft nicht der erste Weg, die Kasse aufzubessern. „Viele deutsche Mittelständler haben sich über Mittelstandsanleihen Geld besorgt“, sagt Baden. Aber auch in diesem Segment gebe es mittlerweile deutliche Kritik der Investoren an der Qualität vieler Unternehmen. In 15 Fällen kam es zu Totalausfällen. Heißt: Gläubiger blieben auf ihren Wertpapieren sitzen, weil das Unternehmen das geliehene Geld nicht zurückzahlen konnte.
Die Rechnung der Mittelständler scheint klar: Im Umfeld niedriger Zinsen können sich viele günstig Geld bei ihrer Bank oder über die Ausgabe von Anleihen besorgen und müssen sich nicht dem öffentlichen Druck einer Notierung an der Börse aussetzen.
Ohnehin mangelt es den deutschen Mittelständlern nicht an Eigenkapital. Die Bundesbank rechnet in ihrem Monatsbericht aus dem vergangenen Dezember vor, dass die Eigenkapitalquote deutscher Unternehmen, die nicht im Finanzgewerbe tätig sind, im Zeitraum von 2000 bis 2012 um insgesamt rund 8,5 Prozentpunkte auf rund 27,5 Prozent gestiegen ist. Bei kleineren und mittleren Unternehmen fiel das Plus mit 14,5 Prozentpunkten sogar noch deutlich kräftiger aus.
Für Berater Baden steht zudem auch die Ernsthaftigkeit von Börsengängen im Vordergrund. Viele Fondsmanager und Privatanleger seien von vergangenen Angeboten enttäuscht. Angepriesene Börsenkandidaten, die zweigleisig auch einzelnen Investoren zum Kauf angeboten wurden, gingen schließlich häufig an diese. Echte Interessenten an Aktien kamen dann doch nicht zum Zug.
Auch der Ausblick auf das weitere Jahr bleibt in Deutschland mau. Während sich international etwa der Mega-Börsengang der chinesischen Internet-Handelsplattform Alibaba anbahnt, hat in Deutschland bisher gerade einmal der 3D-Druckanbieter SLM einen Börsengang für dieses Jahr angekündigt. Brutto will das Unternehmen 75 Millionen Euro einnehmen, ein eher kleiner Betrag. Heiß gehandelt werden am Markt zwar immer wieder der Online-Modehändler Zalando, und auch der Windkraftanlagenbauer Senvion - zuvor als Repower bekannt - gilt als Kandidat. Aber ob es tatsächlich so kommt, bleibt vorerst Spekulation.