Marktforscher: Android setzt Nokia stark unter Druck
Egham (dpa) - Der immer schnellere Vormarsch der Smartphones setzt dem langjährigen Handy-Marktführer Nokia schwer zu. Vor allem Computer-Telefone mit dem Google-Betriebssystem Android und Apples iPhone nehmen den europäischen Vorreiter in die Zange.
Im zweiten Quartal habe der Marktanteil der Finnen nur noch 22,8 Prozent betragen, errechnete das Marktforschungsunternehmen Gartner. Im früheren Jahren kamen bis zu 40 Prozent aller Handys weltweit von Nokia, vor einem Jahr waren es noch gut 30 Prozent.
Das sind Werte, zu denen auf absehbare Zeit kein Weg zurück führt. Kunden, die erst einmal in einem Smartphone-Ökosystem landen, sind nur schwer zu einem Wechsel zu bewegen, betonte Gartner-Analystin Roberta Cozza am Donnerstag. Die Bindung an eine Plattform wie Android oder die iOS-Welt des iPhone sei deutlich stärker als früher bei einzelnen Handy-Marken. Es gehe nicht nur um Besonderheiten der Bedienung, sondern auch um gekaufte Apps und möglicherweise auch das Zusammenspiel mit weiteren verwandten Geräten wie Tablet-Computer.
Das Problem von Nokia sei, dass die neuen Smarpthones mit dem Microsoft-Betriebssystem Windows Phone voraussichtlich erst im zweiten Halbjahr 2012 in großem Umfang auf den Markt kommen dürften, sagte Cozza. „Das ist eine sehr lange Zeit für diese Branche“ - und die Wettbewerber dürften sich auf bis dahin erobertem Neuland festsetzen.
Der unverteilte Markt ist noch groß: Aktuell ist nach Zahlen von Gartner erst jedes vierte verkaufte Handy ein Smartphone. Doch das Wachstumstempo ist enorm: Im zweiten Quartal schoss der Absatz der Computer-Telefone um 74 Prozent auf knapp 108 Millionen Geräte hoch. In vier Jahren dürfte bereits jedes zweite weltweit verkaufte Handy ein Smartphone sein, für entwickelte Märkte wie Westeuropa rechnen die Marktforscher sogar mit einem Anteil von 85 Prozent.
Und gerade bei den Smartphones klafft bei Nokia eine gefährliche Lücke. Das bisherige Betriebssystem verliert rasant an Boden - binnen eines Jahres sackte der Anteil am Smartphone-Markt von 40,9 auf 22,1 Prozent ab. Und mit dem ersten Nokia-Gerät mit Windows Phone ist nicht vor Jahresende zu rechnen.
Microsoft schießt mit seinem von Experten gelobten Betriebssystem bisher auch nicht gerade den Vogel ab: Der Anteil aller Windows-Varianten am Smartphone-Markt fiel laut Gartner zuletzt auf 1,6 Prozent, nach 4,9 Prozent vor einem Jahr. Die Partner Nokia und Microsoft stehen vor einer „sehr großen Herausforderung“, sagt Cozza diplomatisch. Gartner rechne für Windows-Smartphones aber nach wie vor mit einem Marktanteil von rund 20 Prozent im Jahr 2015.
Der König auf dem Smartphone-Markt ist Android mit einem Marktanteil von 43,4 Prozent - nach nur 17,2 Prozent vor einem Jahr. Dem Google-System kommt zugute, dass es von verschiedenen Herstellern genutzt wird. Zum Jahreswechsel dürfte Android für noch mehr Druck auf Nokia sorgen - dann dürften dank billigerer Bauteile vermehrt günstige Smartphones zu einem Preis unter 100 Dollar auf den Markt kommen.
Ein klarer Gewinner des Markt-Umbruchs ist auch Apple mit seinem iPhone. Der Konzern kontrolliert nicht nur das dazugehörige Betriebssystem iOS, sondern ist auch der einzige Gerätehersteller für diese Plattform. Mit dem hochpreisigen iPhone fährt Apple Milliarden-Gewinne ein. Im Smartphone-Markt stieg der Anteil von iOS von 14,1 auf 18,2 Prozent. In der Gartner-Rangliste der Handy-Hersteller steht Apple auf Platz vier mit einem Marktanteil von 4,6 Prozent nach nur 2,4 Prozent vor einem Jahr.
Zweitgrößter Handy-Produzent der Welt blieb Samsung mit einem Marktanteil von 16,3 Prozent, gefolgt von LG mit 5,7 Prozent. Beide südkoreanischen Unternehmen verloren dabei etwas an Gewicht. Dagegen rückte der taiwanische Hersteller HTC von 1,6 auf 2,6 Prozent vor. Stärker werden auch junge und hungrige chinesische Hersteller. So verdrängte ZTE den Blackberry-Anbieter knapp vom 5. Platz in der Handy-Rangliste und Huawei pirscht sich an das Mobilfunk-Urgestein Motorola heran. Insgesamt wuchs der weltweite Handy-Absatz im zweiten Quartal laut Gartner um 16,5 Prozent auf 428,66 Millionen Geräte.