Mehr Schutz für Sparer: Brüssel will zockende Banker zügeln
Brüssel (dpa) - Fünf Jahre nach Ausbruch der Finanzkrise will die EU das Geld der Sparer besser vor riskanten Bankgeschäften schützen. Die größten Geldhäuser Europas sollen nicht mehr die Spareinlagen der Kunden für Zockereien mit risikoreichen Wertpapieren einsetzen dürfen.
Zudem will ihnen die EU-Kommission spekulative Geschäfte auf eigene Rechnung - und nicht im Auftrag von Kunden - weitgehend verbieten. Das sehen Reformvorschläge für die rund 8000 europäischen Banken vor, die EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier am Mittwoch in Brüssel präsentierte.
Die Pläne benötigen die Zustimmung vom Europaparlament und den EU-Staaten. Die Auflagen könnten frühestens ab 2017 gelten.
Nach Widerstand aus der Branche verzichtet Brüssel aber auf allzu harte Vorgaben. Barnier bleibt hinter den Empfehlungen der von ihm einberufenen Expertengruppe um den finnischen Notenbankchef Erkki Liikanen zurück. Eine angedachte Zerschlagung großer Geldhäuser ist vom Tisch.
Brüssel will dafür sorgen, dass Sparer nicht mehr mit ihrem Geld für Spekulationsverluste der Banken im Investmentgeschäft haften. Zugleich will die EU verhindern, dass Institute durch riskante Verluste in Schieflage geraten und vom Steuerzahler gerettet werden müssen. „Es kann nicht sein, dass letzten Endes die Steuerzahler für die Fehler von Banken einstehen müssen“, sagte Barnier. Mit der Auslagerung des riskanteren Handelsgeschäfts verkleinere sich das Risiko, das von der Pleite einer bedeutenden Bank ausgehe. In der Bankenkrise verhinderten die Staaten immer wieder Pleiten großer Geldhäuser Banken, weil sie wegen ihrer Größe gravierende Folgen für den gesamten Sektor fürchteten („too big to fail“).
Kritiker bemängeln jedoch, dass es zahlreiche Schlupflöcher und Ausnahmen bei den Reformvorschlägen gebe. So sollen die Regeln nur für die 30 größten Institute und nur im Einzelfall gelten. Es soll den Bankenaufsehern obliegen, Banken dazu zu zwingen, etwa den Handel mit Verbriefungen oder komplexen Derivaten auszulagern. Dabei erhält die Europäische Zentralbank (EZB) als künftige Bankenaufsicht eine zentrale Rolle.
Das Papier definiert den Eigenhandel allerdings sehr eng, so dass Banken aus Sicht von Kritikern durchaus weiter riskante Geschäfte etwa mit Derivaten betreiben können. „Nach dieser Definition betreibt die Deutsche Bank keinen Eigenhandel mehr und fällt nicht darunter“, bemängelt der Finanzexperte der Grünen im Europaparlament, Sven Giegold. Er hält den Vorschlag für nutzlose „Placebo-Regulierung“.
Für die deutschen Banken wird sich durch die EU-Regeln wohl wenig ändern. In Deutschland gibt es bereits ein nationales Gesetz, das in vielen Punkten strenger ausfällt. Betroffen wäre die Deutsche Bank. „Die Gesetze in Deutschland und Frankreich müssen nicht geändert werden“, bestätigte Barnier. Das deutsche Gesetz verlangt von großen Banken bereits die Abtrennung des riskanten Wertpapierhandels auf eigene Rechnung.
Der deutsche Branchenprimus betrachtet die EU-Vorschläge entsprechend entspannt: „Wir sehen das mit großer Gelassenheit“, sagte Co-Chef Jürgen Fitschen in Frankfurt. Die Bundesregierung begrüßte den Vorschlag. „Wir bewerten das insgesamt positiv“, sagte eine Sprecherin des Finanzministeriums in Berlin. Wichtig sei, dass das System der Banken mit allen Geschäften unter einem Dach (Universalbanken-System) erhalten bleibe. Schwierigkeiten für Unternehmen, an Bankkredite zu kommen, seien nicht zu erwarten.
Das sieht die Bankenbranche anders. „Die deutsche Wirtschaft braucht und will Universalbanken“, meinte der Bankenverband BdB. Würden die EU-Pläne Gesetz, könnten Geldhäuser ihren Kunden möglicherweise nicht mehr die gewohnten Dienstleistungen im gleichen Umfang wie bisher anbieten, sagte BdB-Hauptgeschäftsführer Michael Kemmer. Ähnlich äußerte sich der Bundesverband Öffentlicher Banken. Der Bundesverbande der Deutschen Industrie (BDI) fürchtet, dass für Unternehmen die Finanzierung schwieriger werde. Manchen gehen die Pläne dagegen nicht weit genug. Mehrere Fraktionen im Europaparlament wollen die Vorschläge noch verschärfen. Der CSU-Abgeordnete Markus Ferber kündigte an: „Diesen verwässerten Vorschlag werden wir im Europaparlament nicht passieren lassen.“ Die EU-Initiative komme zu spät und reiche nicht aus, bemängelte der Vorsitzende der sozialdemokratischen Fraktion, Hannes Swoboda.