Merck-Betriebsrat befürchtet Verlust von 900 Jobs

Darmstadt (dpa) - Dem weitreichenden Umbau des Pharma- und Chemiekonzerns Merck könnten nach Einschätzung des Betriebsrats fast zehn Prozent der Stellen in Deutschland auch ohne Kündigungen zum Opfer fallen.

„Ich rechne damit, dass bis zu 900 Mitarbeiter in Deutschland das Angebot von Altersteilzeit und freiwilligem Ausscheiden annehmen“, sagte Betriebsratschef Heiner Wilhelm der Finanz-Nachrichtenagentur dpa-AFX. Derzeit liefen die Gespräche mit Mitarbeitern.

Der Konzernbetriebsrat und die Geschäftsleitung des Darmstädter Familienunternehmens hatten sich vor der Hauptversammlung Ende April auf ein Eckpunktepapier verständigt. Durch Freiwilligenprogramme will der Dax-Konzern, der Kostensenkungen, Personalabbau und eine Verschlankung der Organisation angekündigt hat, betriebsbedingte Kündigungen im Heimatmarkt vermeiden - ganz ausgeschlossen hatte die Geschäftsleitung sie aber nicht.

In Deutschland beschäftigt Merck rund 10 600 Menschen. Konkrete Pläne für Deutschland wurden noch nicht bekannt. Weltweit beschäftigt Merck mehr als 40 000 Mitarbeiter. Am 20. Juni ist in Darmstadt die nächste Betriebsversammlung geplant.

Merck soll nach den Rückschlägen in der Pharmasparte und dem verschärften Wettbewerb im Geschäft mit Flüssigkristallen auf mehr Effizienz getrimmt werden. Das werde aber nur gelingen, wenn beim Personal gespart werde, hatte Konzernchef Karl-Ludwig Kley jüngst erklärt. 2011 seien 40 Prozent der operativen Kosten von insgesamt acht Milliarden Euro in diesem Bereich angefallen. Analysten rechnen mit einem Abbau von weltweit mehr als 2000 Stellen.

Die Geschäftsleitung denkt über eine Verlagerung des Dienstleisters Merck Shared Services Europe von Deutschland nach Osteuropa nach. Damit stünden am Stammsitz Darmstadt 200 Arbeitsplätze zur Disposition. Zudem würden übertarifliche Gehaltsbestandteile sowie die Höhe der Eingruppierung infrage gestellt, sagte Wilhelm.

Der Betriebsrat behandele derzeit Anfragen nach Neueinstellungen und Sonderschichten wegen hoher Auslastung „sehr vorsichtig“, betonte Wilhelm: „Wir können den Leuten nicht vermitteln, dass sie Sonderschichten fahren sollen, wenn auf der anderen Seite Stellenstreichungen geplant werden.“

Merck-Chef Kley hat weltweit ein umfassendes Sparprogramm eingeleitet. Allein in der Pharmasparte Merck Serono peilt das Unternehmen ab 2014 pro Jahr 300 Millionen Euro Einsparungen an. Unter anderem soll die Serono-Zentrale in Genf geschlossen werden. Rund 500 Arbeitsplätze sowie 80 weitere Jobs an den drei Schweizer Produktionsstandorten sollen wegfallen. Nach den Plänen werden mehr als 750 der 1250 Stellen in Genf verlagert.

„Wie viele davon an den Firmensitz nach Darmstadt kommen, wissen wir noch nicht“, sagte Wilhelm. Insgesamt arbeiten in der Pharmasparte Merck Serono derzeit weltweit 17 000 Mitarbeiter. Auch in Frankreich wird bei Merck Serono gekürzt. 267 von 1270 Stellen werden gestrichen, hatten die Darmstädter vor wenigen Tagen mitgeteilt. Merck hatte den Schweizer Biotech-Konzern Serono vor fünf Jahren für mehr als zehn Milliarden Euro übernommen.