Problem Diesel Merkel sieht Politik und Branche vor „Quadratur des Kreises“
Berlin (dpa) - Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sieht auf Politik und Autoindustrie in der Diesel-Krise und bei der Mobilität der Zukunft große Anstrengungen zukommen.
Merkel sagte im Bundestag in der ersten Regierungserklärung ihrer vierten Amtszeit: „Saubere Luft, intelligente innerstädtische Verkehrssysteme und Nutzung individueller Mobilität müssen in Einklang gebracht werden - und zwar so, dass Arbeitsplätze nicht in Gefahr geraten, die Käufer von Dieselautos nicht die Dummen sind und wir trotzdem Luft und Klima schützen.“ Merkel fügte hinzu: „Also im Grunde eine Quadratur des Kreises.“
Als eine ihrer ersten Amtshandlungen werde die neue Bundesregierung eine Kommission zur Zukunft des Diesel und der Mobilität auf den Weg bringen, sagte Merkel. Dies war im Koalitionsvertrag vereinbart worden. Verbrennungsmotoren würden auf absehbare Zeit noch als „Brückentechnologie“ gebraucht, die Zukunft aber gehöre alternativen Antrieben.
Die CDU-Chefin warnte die Autoindustrie indirekt davor, den Wandel der Branche nicht zügig genug anzugehen: „Fehler in einzelnen Branchen können sich sehr schnell zu systemischen Problemen entwickeln. Und wie schnell das gehen kann, sehen wir beim Dieselthema.“
Im September 2015 war der VW-Abgasskandal ins Rollen gekommen. Damals hatte VW eingeräumt, bei Millionen von Dieselfahrzeugen bei Abgastests manipuliert zu haben. Volkswagen hatte dies in eine schwere Krise gestürzt, der Skandal hat den Konzern Milliarden gekostet. Auch bei anderen Autobauern wurden zum Teil drastische Abweichungen der Abgaswerte zwischen Prüfstand und Straße festgestellt. Die Neuzulassungen von Dieselfahrzeugen sind seit Monaten auf Talfahrt.
Merkel bekräftigte die Position der Bundesregierung in Sachen Fahrverboten für Diesel-Autos: „Flächendeckende Fahrverbote lehnen wir ab. Wir brauchen vielmehr maßgeschneiderte Lösungen für die von Grenzwertüberschreitung betroffenen Kommunen.“ Ähnlich hatte sie sich zum Beispiel beim Spitzentreffen mit Wirtschaftsverbänden vor knapp zwei Wochen in München geäußert.
Die allermeisten betroffenen Städte würden Schadstoff-Grenzwerte sehr bald einhalten, sagte Merkel. Als Grund nannte sie die Kombination der Luftreinhaltepläne in den Kommunen, der Förderprogramme des Bundes und der „zwingend notwendigen Beiträge der Automobilindustrie“. Zugleich sagte Merkel: „Einige wenige Städte werden besondere Lösungen brauchen. Und dabei nehmen wir die Automobilindustrie in die Pflicht. Für die eigenen Fehler müssen die Hersteller gerade stehen und wir müssen dafür sorgen, dass ausreichend in die Mobilität der Zukunft investiert wird.“
Um Grenzwerte einzuhalten, sind etwa in vielen Städten Umrüstungen von Bussen geplant oder eine bessere Taktung des öffentlichen Nahverkehrs. Dazu kommen Software-Updates der Hersteller für ältere Diesel. Aufwendige Umbauten am Motor, die aus Sicht von Umweltverbänden wirksamer wären, lehnen die Herstellern bisher auch mit Verweis auf hohe Kosten ab.
FDP-Fraktionsvize Michael Theurer sagte nach den Aussagen der Kanzlerin, Merkel befürworte Fahrverbote für belastete Städte wie Stuttgart und Düsseldorf. „Die heutige Regierungserklärung darf man also als Einstieg in die kalte Enteignung von Millionen Dieselfahrern verstehen. Für Handwerker und Berufspendler ist das fatal.“
Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hatte Diesel-Fahrverbote für bessere Luft in Städten generell für zulässig erklärt, diese aber als letztes Mittel bezeichnet. Außerdem müsse die Verhältnismäßigkeit gewahrt bleiben. Im vergangenen Jahr waren die Schadstoff-Belastungen zwar etwas gesunken, aber immer noch wurden die Grenzwerte in knapp 70 Städten nicht eingehalten - am stärksten war die Belastung in München, Stuttgart und Köln. Dieselfahrzeuge sind eine Hauptursache für die Schadstoff-Belastung.