Microsoft kauft Nokias Handy-Geschäft
Redmond/Espoo (dpa) - Nokia-Handys kommen künftig von Microsoft: Der Software-Riese übernimmt das Kerngeschäft des einstigen Weltmarktführers. Der Windows-Konzern zahlt insgesamt 5,44 Milliarden Euro, wie die Unternehmen am Dienstag mitteilten.
Microsoft hofft, mit Nokia unter einem Dach schneller im Smartphone-Markt aufzuholen.
Mit dem Deal könnte auch ein Ersatz für den scheidenden Microsoft-Chef Steve Ballmer gefunden sein. Nokia-Lenker Stephen Elop, ein früherer Microsoft-Manager, wird bereits als Ballmer-Nachfolger gehandelt.
Microsoft zahlt in bar 3,79 Milliarden Euro für das Geschäft mit Geräten und Diensten und gibt weitere 1,65 Milliarden Euro für Patentlizenzen auf zehn Jahre aus. Außerdem wird Microsoft auf Nokias Kartendienste zurückgreifen. Die Nokia-Aktie schoss um über 43 Prozent auf rund 4,25 Euro hoch. Im Jahr 2007 hatte sie aber noch über 20 Euro gekostet. Die Microsoft-Aktie gab dagegen vorbörslich um fünf Prozent nach.
Über eine Nokia-Übernahme durch Microsoft war bereits seit einiger Zeit spekuliert worden. Die Unternehmen waren Anfang 2011 eine enge Partnerschaft eingegangen. Nokia ist der wichtigste Hersteller von Smartphones mit dem Microsoft-Betriebssystem Windows Phone. Der Windows-Konzern wird nun Software und Geräte aus einer Hand anbieten können - wie der Rivale Apple. Microsoft hatte bereits einen ersten Schritt in diese Richtung mit dem eigenen Tablet Surface gemacht, das sich jedoch schlechter als erwartet verkaufte.
Mit dem Deal schließen sich zwei Giganten zusammen, denen massive Veränderungen in ihrem Kerngeschäft zu schaffen machen. Nokia war lange Zeit die dominierende Kraft im Handy-Markt, verlor aber mit dem Vormarsch der Smartphones wie des iPhone von Apple und Geräten mit dem Google-System Android massiv an Boden. Dank der starken Position bei günstigen Handys ist Nokia zwar immer noch der zweitgrößte Hersteller von Mobiltelefonen nach Samsung. Der Marktanteil von Nokias Lumia-Modellen bei den lukrativen Smartphones liegt aber im niedrigen einstelligen Prozentbereich.
Der finnische Konzern will sich künftig vor allem auf das Netzwerk-Geschäft und die Entwicklung seiner Kartendienste unter der Marke Here fokussieren. Nokia hatte jüngst den ursprünglich gemeinsam mit Siemens betriebenen Netzausrüster NSN komplett übernommen. Eine große Forschungs- und Entwicklungsabteilung werde in Finnland bleiben, betonte Ballmer.
Mit dem Deal wird sich der Nokia-Umsatz in etwa halbieren. Rund 32 000 Mitarbeiter sollen zu Microsoft wechseln, 56 000 bleiben bei dem Unternehmen. Nokia wird 3,2 Milliarden Euro als Gewinn verbuchen, dadurch könnte sich das zuletzt abgestufte Kredit-Rating verbessern.
Auch Microsoft hat derzeit mit einem Wandel in seinem Kerngeschäft zu kämpfen. Das Betriebssystem Windows und die Bürosoftware Office sind immer noch die wichtigsten Geldbringer des Konzerns - inzwischen werden aber immer weniger PCs verkauft, weil die Nutzer lieber zu Smartphones und Tablets greifen. Microsoft versucht, mit Hilfe von Windows Phone und seinem Tablet Surface auf diesen Zug aufzuspringen, die Marktanteile steigen aber nur langsam.
Ballmer und Elop schrieben in einem gemeinsamen Brief, mit dem Zusammengehen der beiden Unternehmen werde man das volle Potenzial des Windows-Ökosystems entfalten können. Es werde neue Telefone und Dienste geben, „die das Beste von Microsoft und das Beste von Nokia vereinen“. Das Geschäft sei im Februar beim Branchentreff Mobile World Congress in Barcelona eingefädelt worden, hieß es in einem Interview mit dem „Wall Street Journal“. Seitdem wurde verhandelt.
Der Deal soll Anfang 2014 abgeschlossen werden, wenn die nötigen Behördengenehmigungen vorliegen. Microsoft habe das Geschäft noch nicht bei den europäischen Wettbewerbshütern angemeldet, erklärte die EU-Kommission auf Anfrage.
Ballmer hatte nach über 13 Jahren an der Microsoft-Spitze seinen Rückzug binnen zwölf Monaten angekündigt. Das Unternehmen hatte zunächst keinen Nachfolger benannt. Elop gilt unter Branchenbeobachtern als einer der möglichen Kandidaten. Er wird jetzt vom Konzernchef zum Microsoft-Manager, zuständig für die Geräte-Sparte.