Tiefrote Zahlen Musk-Auftritt nach Rekordverlust bringt Tesla unter Druck
Palo Alto (dpa) - Erst Rekordverlust, dann mürrische Töne vom Firmenchef: Wird der E-Auto-Pionier Tesla vom Superstar zum Sorgenkind der Börse?
An tiefrote Zahlen hat sich die Wall Street zwar inzwischen gewöhnt, doch Elon Musks als arrogant empfundener Auftritt nach Vorlage der Quartalszahlen geht Anlegern auf die Nerven - die Aktie stürzte zum Handelsstart am Donnerstag um acht Prozent ab. „Elon, Du musst erwachsen werden und wieder in die Spur finden“, appellierte Marktforscherin Rebecca Lindland von Kelley Blue Book im Sender CNBC.
Dabei hatte es zuerst gar nicht so schlecht ausgesehen: Tesla schrieb im ersten Quartal zwar einen Rekordverlust von rund 710 Millionen Dollar (593 Mio Euro), wie das Unternehmen am Vorabend im kalifornischen Palo Alto mitgeteilt hatte.
Damit wurde das Minus im Jahresvergleich mehr als verdoppelt. Doch an der Wall Street war ein noch schlechteres Ergebnis befürchtet worden, so dass die Zahlen zunächst positiv aufgenommen wurden. Auch der Umsatz übertraf mit einem Plus von 26 Prozent auf 3,4 Milliarden Dollar die Erwartungen.
Dann folgte allerdings die bizarre Telefonkonferenz des Tesla-Chefs. Nachdem das übliche Frage-und-Antwort-Spiel mit Analysten und Investoren eine Weile unspektakulär vor sich hinplätscherte, fiel der Tech-Milliardär zunehmend aus der Rolle. Musk bezeichnete Fragen als trocken, langweilig und „nicht cool“ - und ließ sich stattdessen lieber von Privatanlegern via YouTube befragen. Wichtige Antworten, etwa wie viele Reservierungen noch für den Hoffnungsträger Model 3 vorliegen, blieb Musk schuldig. Die Frage, ob Tesla Kapitalbedarf habe, gefiel dem Starunternehmer überhaupt nicht.
Musk, der von seinen Anhängern als großer Visionär und genialer Innovator gefeiert wird, ist zwar durchaus für ungewöhnliche Aktionen bekannt. Doch die Art, wie er die Finanzprofis abkanzelte und Fragen auswich, die Anlegern unter den Nägeln brennen, ging vielen dann doch deutlich zu weit. „Ich habe die Schalte sehr frustriert verlassen“, sagte Expertin Lindland hinterher. Musk müsse sich den Fragen der Analysten stellen und nicht denen von „Fanboys“ und Kleinanlegern, kritisierte sie. Zumal es so viel Informationsbedarf gibt, wie kaum jemals zuvor in der Geschichte des 2003 gegründeten Unternehmens.
Denn Tesla kämpft weiterhin mit dem - von Musk selbst als „Produktionshölle“ - bezeichneten Anlauf der Serienfertigung seines ersten Mittelklasseautos Model 3. Hier holpert es bislang gewaltig. Zwar bestätigte die Firma ihr Ziel, bis Mitte des Jahres pro Woche rund 5000 Wagen vom Band laufen zu lassen. Doch Musks ehrgeizige Vorgaben wurden schon mehrfach verfehlt und nach hinten verschoben. Zuletzt ging es immerhin etwas voran: In der letzten Aprilwoche stellte Tesla 2270 Model 3 her, Ende März waren es nur 2020 gewesen.
„Wir erwarten, dass auch das Produktionsziel des Model 3 für Ende Juni verfehlt wird“, schrieb Branchenbeobachter Frank Schwope von der NordLB. Die Erwartungen an Teslas erstes Angebot außerhalb des Luxus-Segments sind riesig. Das Auto, das eigentlich für 35 000 Dollar vor Steuern und Vergünstigungen erhältlich sein soll, derzeit aber noch mehr kostet, soll der Firma und der E-Mobilität den Weg von der Nische in den Massenmarkt ebnen. Um das Mammutprojekt auf Trab zu bringen, hatte Musk es kürzlich zur Chefsache erklärt und sich wieder ein Schlaflager in der Fabrik eingerichtet.
Experte Schwope bezweifelt, dass das der richtige Weg zum Erfolg ist: „Vielleicht stört es auch ganz einfach, wenn ein branchenfremder wie Elon Musk — wie angekündigt — mit seinem Schlafsack in der Automobil-Produktion rumliegt.“ Der Konzern verbrenne immer noch viel Geld und versuche, mit Marketing-Maßnahmen sowie euphorischen und übertriebenen Produktversprechungen von Problemen abzulenken.
Im Brief an die Aktionäre bekräftigte Musk indes seine Annahme, es mit Tesla im dritten und vierten Quartal in die schwarzen Zahlen zu schaffen. Entscheidend dafür dürfte sein, dass Tesla die Produktionsprobleme beim Model 3 löst und der Verkauf des Modells Geld in die Kassen spült. Die Firma hat noch nie ein Geschäftsjahr mit Gewinn abgeschlossen. Einige Finanzexperten rechnen damit, dass das Unternehmen dieses Jahr noch einmal frisches Geld am Kapitalmarkt besorgen muss, um seine ambitionierten Ziele erreichen zu können.