VW-Dieselskandal Musterfeststellungsklage - Abgasskandal wird zur Bewährungsprobe für neue Klageform

Braunschweig · Mit einer Musterklage versuchen fast eine halbe Million Dieselfahrer, ihre Chancen auf Entschädigung von Volkswagen zu erhöhen. Nun hat das erste große Gerichtsverfahren zum Thema begonnen.

Das erste große Gerichtsverfahren im Diesel-Skandal hat begonnen.

Foto: AFP/RONNY HARTMANN

Für Wolfgang Scholz geht es um die große Frage nach Schuld - und nach Schadenersatz. Als VW-Dieselbesitzer ist er dafür eigens aus dem Allgäu nach Braunschweig gereist, wo seit Montag das erste Musterverfahren für Verbraucher im VW-Abgasskandal verhandelt wird. So wie er haben sich hunderttausende Dieselbesitzer der Musterfeststellungsklage von Verbraucherschützern gegen Volkswagen angeschlossen. Besetzt ist der Saal am ersten Verhandlungstag aber vor allem mit Juristen und Berichterstattern.

Wegen des erwartet großen Interesses hatte das Oberlandesgericht Braunschweig die Verhandlung eigens in die Stadthalle der niedersächsischen Stadt verlegt. Denn dem Verfahren kommt eine Signalwirkung in gleich mehrfacher Hinsicht zu: Zum einen hat es Auswirkungen auf hunderttausende Dieselbesitzer, die nach Softwareupdates ihre Autos zwar weiter fahren können, die sich aber dennoch vom Volkswagen-Konzern geschädigt fühlen und deshalb der Musterklage gegen den Autobauer folgen.

Zum anderen ist das Verfahren ein Lackmustest für die Musterfeststellungsklage selbst, die die große Koalition erst im vergangenen Jahr auf den Weg gebracht hatte, um mit der "Eine-für-alle-Klage" Verbraucher im Kräftemessen mit Konzernen zu stärken. Das neue Instrument soll verhindern, dass Verbraucher auf einklagbare Rechte verzichten - sei es, weil sie sich in juristischen Dingen nicht ausreichend bewandert fühlen oder sie das Risiko, den bürokratischen Aufwand oder die Kosten eines Prozesses auf eigene Faust scheuen.

Kostenlos konnten sie sich dafür im Falle der Klage des Verbraucherzentrale Bundesverbandes (vzbv) gegen VW bis einschließlich Sonntag beim Bundesamt für Justiz in das entsprechende Register eintragen. Hinterher müssten sie ihren individuellen Schadenersatz aber weiter selbst einklagen, hätten es dann aber womöglich bedeutend einfacher.

Voraussetzung dafür ist allerdings, dass die Entscheidung des Braunschweiger OLG zu ihren Gunsten ausfällt. Und diese Entscheidung macht sich der zuständige Senat um den Vorsitzenden Richter Michael Neef alles andere als leicht. Am ersten Verhandlungstag wird vor allem deutlich, dass das OLG sorgfältig prüfen will, inwiefern den Autokäufern ein möglicher Schaden entstanden ist.

Während die Klägerseite feststellen lassen will, dass VW seine Kunden mit den vom Dieselskandal betroffenen Motoren "vorsätzlich und sittenwidrig" schädigte, argumentiert der Autobauer, dass den Käufern kein Schaden entstanden sei, da schließlich alle Fahrzeuge im Verkehr genutzt werden könnten und sicher seien.

Abkürzen könnte das komplexe Verfahren ein Vergleich. Doch der birgt vor allem vor dem Hintergrund, inwieweit sich die möglichen Ansprüche der Verbraucher über einen Kamm scheren lassen, bislang Tücken. Nun soll ein genauerer Blick ins Klageregister mehr Klarheit schaffen - und Volkswagen ermöglichen genauer zu rechnen, wie teuer den Konzern ein möglicher Vergleich käme.

Dieselfahrer Scholz hofft indes, dass die Musterfeststellungsklage künftig auch in weiteren Fällen Anwendung finden, wie er sagt - und "Verbraucher zusammenstehen".

jm/hcy

(AFP)