Neuer Bertelsmann-Chef baut Konzern um
Berlin/Gütersloh (dpa) - Kehrtwende in Gütersloh: Bei Bertelsmann ist erstmals ein Börsengang im Gespräch. Das sagte der neue Vorstandschef Thomas Rabe am Mittwoch in Berlin. Im Falle eines Börsengangs soll aber der Einfluss der Gründerfamilie Mohn gewahrt bleiben.
Rabe kündigte zugleich einen „langfristigen Konzernumbau“ beim größten Medienunternehmen Europas an. „Bertelsmann soll wachstumsstärker, digitaler, breiter aufgestellt und internationaler werden“, sagte Rabe. Bisher mache das Medienunternehmen 80 Prozent des Umsatzes in Europa, „einer Region, die auch längerfristig nicht stark wachsen wird“. Bertelsmann betrachtet China, Indien und Lateinamerika als Wachstumsregionen.
Zugleich sieht Rabe großes Potenzial in digitalen Angeboten wie E-Books und Videoplattformen. Die Bertelsmann-Manager würden „unermüdlich an neuen digitalen Angeboten und Erlösmodellen arbeiten“. Auch die Erwachsenenbildung, das Musikrechte-Management und das Dienstleistergeschäft sollen im Fokus der Wachstumsstrategie stehen. Eine neue Rechtsform soll ermöglichen, kurzfristig am Kapitalmarkt Geld aufnehmen zu können. Dies könne über einen Börsengang erfolgen, das sei aber nur eine von mehreren Optionen.
Der Konzern habe einen „Schrumpfungsprozess“ hinter sich, sagte Rabe. „Seit 2006 haben wir uns von Geschäften mit einem Umsatzvolumen von mehr als fünf Milliarden Euro getrennt.“ Unter anderem hatte Bertelsmann sein Buchclub-Geschäft nach und nach verkauft. Nun sei „die Bereinigung in weiten Teilen abgeschlossen.“ Den Güterslohern macht aber vor allem das schwache Geschäft im Druckbereich sowie bei der CD- und DVD-Pressung zu schaffen. Wichtigster Ertragsbringer ist die Fernsehsparte RTL Group.
Das Konzernergebnis sank trotz guter Werbeumsätze im vergangenen Jahr von 656 Millionen Euro auf 612 Millionen Euro. Das entspricht einem Rückgang von etwa 7 Prozent. Grund dafür waren unter anderem schwache Zahlen bei Teilen der Drucksparte. Der Umsatz wuchs um weniger als 2 Prozent auf 15,3 Milliarden Euro. Der Gewinn und das Umsatzwachstum seien 2011 „enttäuschend“ gewesen, räumte Rabe ein. Für das laufende Geschäftsjahr erwartet Rabe ein „moderates Umsatzwachstum“ und einen Anstieg beim Konzernergebnis.
In einem Atemzug mit den Expansionsplänen kündigte Rabe an, dass Bertelsmann sich nunmehr die Möglichkeit eines Börsenganges offen hält. Ein solcher Schritt galt bisher als tabu in Gütersloh. Zu diesem Zweck ändert der Konzern seine Rechtsform. Aus der Bertelsmann AG wird die Bertelsmann SE & Co. KGaA, eine Kommanditgesellschaft auf Aktien. Die neue Konstruktion erlaubt es dem Konzern demnach, zum Beispiel durch einen Börsengang hohe Summen am privaten Kapitalmarkt aufzunehmen, ohne dass die Rechte der Gesellschafter verwässert werden. Der Einfluss der Gründerfamilie Mohn bleibe dadurch gewahrt.
Zu dem Medienriesen gehören die RTL Group, der Zeitschriftenverlag Gruner + Jahr, die Verlagsgruppe Random House und der Outsourcing-Dienstleister Arvato. Ein Viertel der Erlöse macht das Unternehmen mit werbeabhängigen Geschäften. Bertelsmann startete mit Rabe in das Geschäftsjahr 2012. Er trat zum 1. Januar die Nachfolge von Hartmut Ostrowski an, der im Herbst seinen Rückzug angekündigt hatte.