Oberstes EU-Gericht gibt grünes Licht für ESM
Luxemburg/Berlin (dpa) - Triumph für die Euro-Retter: Das oberste EU-Gericht billigt den neuen europäischen Rettungsschirm ESM.
Der ESM stehe mit dem Haftungsverbot in Einklang, wonach ein Staat nicht für die finanziellen Verbindlichkeiten eines anderen gerade stehen darf, urteilte der Europäische Gerichtshof in Luxemburg am Dienstag (Rechtssache C-370/12).
Damit wiesen die Richter des EuGH alle Einwände des irischen Abgeordneten Thomas Pringle zurück, der vor dem höchsten Gericht seines Landes gegen den Rettungsschirm geklagt hatte.
Die Prüfung des Gerichts „hat nichts ergeben, was die Gültigkeit des Beschlusses ... berühren könnte“, heißt es im Urteil zu jener Gesetzesänderung, die im Frühjahr den Weg für den ESM frei machte.
Das Urteil nimmt Kritikern der Euro-Rettung in einem entscheidenden Punkt den juristischen Wind aus den Segeln: Der ESM verstoße nicht gegen das sogenannte Haftungsverbot, heißt es. So verbiete der EU-Vertrag nicht, dass Länder einander finanzielle Unterstützung gewähren, betonten die Richter. Im Gegenzug müsse das Empfängerland aber sparsam wirtschaften: Die mit der Hilfe verbundenen Auflagen müssten „geeignet [sein], ihm einen Anreiz für eine solide Haushaltspolitik zu bieten.“
Zudem hafteten die am ESM beteiligten Staaten nicht für die Schulden anderer Länder. Der Empfängerstaat „bleibt gegenüber seinen Gläubigern für seine finanziellen Verbindlichkeiten haftbar“, steht im Urteil. Hilfen würden somit zu neuen Schulden gegenüber dem ESM.
Das Verbot zum Erwerb von Schuldtiteln durch die EZB und die Zentralbanken der Euro-Mitgliedsstaaten umgehe der ESM ebenfalls nicht. Dies gelte nur für die nationalen Zentralbanken sowie die Europäische Zentralbank, erklärte der EuGH. Wenn ein oder mehrere Mitgliedstaaten einem anderen Mitgliedstaat unmittelbar oder über den ESM finanziellen Beistand leisteten, falle dies somit nicht unter das genannte Verbot.
Auch mit seinen Einwänden gegen das Schnellverfahren, mit dem die Staaten die rechtlichen Voraussetzungen für den ESM schufen, drang der irische Abgeordnete nicht durch - unter anderem, weil die Kompetenzen der EU durch den neuen Schirm dem Gerichtsentscheid zufolge nicht ausgeweitet würden.
Die EU-Kommission zeigte sich wenig überrascht: „Wir waren immer zuversichtlich, dass der ESM in Gänze kompatibel mit EU-Recht ist und wir begrüßen diese Entscheidung“, sagte der Sprecher von EU-Währungskommissar Olli Rehn.
Der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, Michael Meister, erwartet, dass nun „diejenigen Stimmen, die den ESM aus rechtlichen Gründen ablehnen, endgültig verstummen“. Auch sein Parteikollege Norbert Barthle, der haushaltspolitische Sprecher der Fraktion, reagierte zufrieden: Nachdem das Bundesverfassungsgericht im September ebenfalls eine Klage gegen den ESM zurückgewiesen hatte, „besteht nun insgesamt unions- und verfassungsrechtlich Rechtssicherheit“, teilte Barthle mit. „Das ist ein gutes Signal für die Finanzstabilität im Euroraum.“
In Deutschland hatte das Bundesverfassungsgericht am 12. September in einer Eilentscheidung die Beteiligung der Bundesrepublik am ESM unter Vorbehalten erlaubt. Dabei ging es jedoch um die Frage, ob die Teilnahme Deutschlands mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Ob die Hilfsmaßnahmen gegen EU-Recht verstoßen, mussten die Karlsruher Richter nicht prüfen. Das Hauptverfahren steht noch aus. Darin wollen die Richter vor allem die Rolle der Europäischen Zentralbank (EZB) prüfen.
Eine deutsche Protestgruppe hat inzwischen beim Luxemburger EU-Gericht auch Klage gegen die EZB eingereicht, weil das Anleiheprogramm der Zentralbank nach ihrer Auffassung gegen das Verbot der monetären Haushaltsfinanzierung durch die Notenbank verstoße. Die Bürgerrechtsbewegung Zivile Koalition vertritt die Auffassung, dass das Vorgehen der Notenbank einen unmittelbaren Einfluss auf die Geldwertstabilität im Euroraum ausübt.
Der ESM, der Anfang Oktober offiziell aus der Taufe gehoben wurde, kann Euro-Ländern bis zu 500 Milliarden Euro geben. Nach und nach soll er mit 700 Milliarden Euro ausgestattet werden. 80 Milliarden davon sind Barkapital, der Rest Garantien. Auf Deutschland entfallen 21,7 Milliarden Euro Bar-Kapital und 168,3 Milliarden Euro Garantien.