Ökonomen erwarten mäßiges Wachstum bis 2017
Berlin (dpa) - Der private Konsum hält die deutsche Wirtschaft auf Trab. Dabei regen die niedrigen Zinsen der Europäischen Zentralbank (EZB) die Inlandsnachfrage nach Einschätzung von Ökonomen zusätzlich an.
Die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute halten in ihrem am Donnerstag vorgelegten Frühjahrsgutachten „die Ausrichtung der Geldpolitik für grundsätzlich angemessen“. Sie kritisierten die Bundesregierung für eine „wenig wachstumsorientierte Wirtschaftspolitik der vergangenen Jahre“.
In ihrer Prognose rechnen die Experten bis ins kommende Jahr hinein sowohl in Deutschland als auch weltweit mit einem mäßigen Wachstumstempo. Risiken gingen vom Strukturwandel in China aus. Die große Zahl an Flüchtlingen werde zwei Effekte haben: Sie treibe zum einen die öffentliche Konsumnachfrage an, werde aber auch die Arbeitslosigkeit im kommenden Jahr leicht steigen lassen.
Die Institute erwarten in diesem Jahr 1,6 Prozent mehr Wirtschaftsleistung in Deutschland, das sind 0,2 Prozentpunkte weniger als in der Prognose vom vergangenen Herbst. Im kommenden Jahr soll das Bruttoinlandsprodukt dann um 1,5 Prozent steigen.
Grund für die niedrigere Prognose sei die Tatsache, „dass sich die Weltwirtschaft Ende 2015 merklich abgekühlt“ habe, sagte der Chefökonom des Münchner Ifo-Instituts, Timo Wollmershäuser, in Berlin. „Inzwischen mehren sich die Anzeichen, dass sich die internationale Konjunktur im ersten Halbjahr 2016 nicht weiter abschwächt“, ergänzte der Konjunkturforscher Heiner Mikosch von der Technischen Hochschule Zürich. Für 2016 erwarten die Ökonomen ein weltweites Wachstum von 2,4 Prozent im Jahr 2016 und 2,8 Prozent im Jahr 2017.
Für den deutschen Arbeitsmarkt zeigen sich die Institute abermals zuversichtlich: So dürften in diesem Jahr rund 500 000 und im nächsten Jahr 390 000 Erwerbstätige hinzukommen. Wegen der Flüchtlinge, die dann verstärkt auf den Arbeitsmarkt kommen, werde aber Erwerbslosigkeit leicht steigen - von 2,74 Millionen (6,2 Prozent) in diesem auf 2,82 Millionen (6,4 Prozent) im nächsten Jahr.
Anders als deutsche Banken, Versicherer und Politiker, die die negative Folgen für Sparer und die Altersvorsorge beklagen, unterstützen die Institute die Niedrigzinspolitik der EZB. Dies gelte, solange die Kapazitäten in der Produktion der EU „nicht wieder normal ausgelastet sind“, sagte Wollmershäuser. Es sei auch noch „keine Blase oder Überhitzung“, etwa auf dem Immobilienmarkt festzustellen, von regionalen Ausnahme abgesehen.
Die Ökonomen empfahlen der Bundesregierung in ihrer sogenannten Gemeinschaftsdiagnose, ihre Ausgaben mehr in Investitionen zu lenken als in den Konsum. Auch eine Senkung der Steuer- und Abgabenbelastung könnte die Wirtschaft stimulieren. Immerhin werde der Staat nach 21 Milliarden Euro Haushaltsüberschuss im vorigen Jahr noch 11 Milliarden in diesem und 10 Milliarden im kommenden Jahr übrig haben.
An dem Gutachten wirkten das Münchener Ifo-Institut, das Essener RWI, das DIW in Berlin sowie das IWH in Halle federführend mit.