Praktiker muss in die Insolvenz
Hamburg/Frankfurt/Main (dpa) - „20 Prozent auf alles“ - diese Rechnung ging nicht auf: Die Baumarktkette Praktiker ist pleite. Überschuldet und zahlungsunfähig beantragte das Unternehmen am Donnerstag in Hamburg die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens.
Als vorläufiger Insolvenzverwalter wurde Christopher Seagon von der Heidelberger Kanzlei Wellensiek ernannt. Der Verkauf soll in den Praktiker-Filialen weitergehen. Die ebenfalls zur Gruppe gehörenden Max-Bahr-Märkte sind von der Insolvenz ohnehin nicht betroffen.
Der beim Amtsgericht Hamburg gestellte Antrag erstrecke sich über acht Tochterfirmen in Deutschland, teilte Praktiker mit. Der Insolvenzantrag für die Praktiker AG sollte noch nachgereicht werden. Praktiker strebt an, im Regelinsolvenzverfahren einen Sanierungsplan erstellen zu können. In der Regel macht sich ein Insolvenzverwalter zunächst ein Bild über die Geschäftslage.
Die derzeit 132 Max-Bahr-Märkte sowie das Auslandsgeschäft sind laut Unternehmen nicht von den Anträgen betroffen. Die Filialen der Vertriebslinien Praktiker sowie Extra-Bau+Hobby sollen im Rahmen eines vorläufigen Insolvenzverfahrens uneingeschränkt fortgeführt werden.
Nachdem der Vorstand am Vorabend über gescheiterte Sanierungsverhandlungen informiert hatte, stürzte die Aktie am Morgen zunächst um rund 70 Prozent ab. Sie erholte sich im Tagesverlauf aber leicht auf rund 0,13 Euro.
Die Gewerkschaft Verdi sprach angesichts der Pleite von einer Tragödie für die Mitarbeiter. Sie seien bereit gewesen, für drei Jahre auf jeweils rund fünf Prozent ihres Jahresgehaltes zu verzichten. Ein entsprechender Tarifvertrag war im Oktober 2012 mit der Unternehmensführung abgeschlossen worden. Praktiker wies Ende März knapp 18 000 Vollzeitstellen aus, beschäftigt werden nach Unternehmensangaben rund 20 000 Mitarbeiter, davon 12 000 im Inland. Je die Hälfte sei bei den beiden Konzern-Marken beschäftigt, teilte ein Sprecher mit.
Das Unternehmen betreibt in Deutschland insgesamt 315 Baumarkt-Filialen (Stand Ende März). Vorstandschef Armin Burger trieb die Umstellung von Praktiker-Filialen auf die ertragsstärkere Marke Max-Bahr voran. Das Unternehmen war auch durch seine fehlgeschlagene Rabattstrategie in eine schwere Krise geraten. Wechselnde Vorstandschefs hatten zuvor versucht, das Unternehmen zu stabilisieren. Zuletzt wurden der Einkauf gestrafft und die Konzernzentrale aus dem Saarland nach Hamburg verlegt.
Verhandlungen über weitere Finanzierungen waren am Vortag endgültig gescheitert. Einzelne Gläubigergruppen hätten nicht zugestimmt, teilte Praktiker mit. Die Baumarktkette zählt hinter Obi und Bauhaus zu den größten deutschen Filialisten der Branche. Obi will den kriselnden Konkurrenten nicht übernehmen, wie der Chef der Obi-Mutter Tengelmann, Karl-Erivan Haub, am Donnerstag in Mülheim an der Ruhr sagte. Das Exposé zu Praktiker habe man viermal auf dem Tisch gehabt. „Es wurde zwar immer preiswerter, aber nicht besser“, betonte er.
Die Vertreterin zweier Praktiker-Großaktionäre, Isabella de Krassny, setzt weiter auf eine Rettung. „Wenn jetzt alle Beteiligten an einem Strang ziehen, lässt sich Praktiker auch in der Insolvenz sanieren“, wird die Österreicherin in der „Wirtschaftswoche“ zitiert. Nach ihren Angaben müssten für die weitere Sanierung rund 80 defizitäre Praktiker-Filialen geschlossen und Finanzmittel in Höhe von mindestens 40 Millionen Euro bereitgestellt werden. Die Managerin machte vor allem Banken und Warenkreditversicherer für das Scheitern des jüngsten Rettungskonzeptes verantwortlich.
Eigentlich wollte der erst im Herbst 2012 installierte Vorstandschef Burger das Geschäft auf ein solides Fundament stellen. Doch Praktiker musste nach dem langen Winter und einem mauen Frühjahrsgeschäft im ersten Quartal 2013 erneut einen Umsatzrückgang hinnehmen, die Verluste schwollen wieder an. „Der Konzern geriet dadurch in eine angespannte Liquiditätssituation“, teilte der Vorstand mit. 2012 wies der Konzern rund 3,0 Milliarden Euro Umsatz aus.