Hintergrund - Drohende Zerschlagung von Kaiser's Tengelmann ruft Kritiker des SPD-Chefs auf den Plan Programmierter Ärger: Gabriels Fusionserlaubnis für Edeka/Tengelmann
Er würde nichts anders machen, sagt SPD-Chef und Vize-Kanzler Gabriel - und steht zu seiner umstrittenen Sondererlaubnis für die Fusion der Supermarktketten. Die drohende Zerschlagung von Kaiser's Tengelmann aber ruft seine Kritiker erneut auf den Plan.
Berlin. Eine Ministererlaubnis wird nur sehr selten beantragt - und noch seltener erteilt. Von den bisher 22 Anträgen wurde in nur neun Fällen eine solche Sondergenehmigung vergeben. Und die jüngste Erlaubnis ist für den Bundeswirtschaftsminister von Anfang an ein Ärgernis. Bei einer Zerschlagung der Supermarktkette Kaiser's Tengelmann als Folge einer geplatzten Fusion mit Branchenprimus Edeka geht es auch um die Rolle Sigmar Gabriels. Der weist jede Mitverantwortung von sich und sagt auf die Frage, ob er aus heutiger etwas anders machen würde. „Nein. Gar nichts.“
Als Gabriel Mitte März Edeka erlaubt, unter strengen Auflagen die 451 Kaiser's Tengelmann-Märkte zu übernehmen und die Wettbewerbshüter damit überstimmt, ist der Zoff programmiert: Nicht nur die Opposition attackiert den Minister. Der Edeka-Konkurrent Rewe kündigt prompt an, beim Oberlandesgericht Düsseldorf Beschwerde einzulegen. Die Richter stoppen den Deal.
Doch nicht nur das: Der Beschluss des Ersten Kartellsenats liest sich in weiten Teilen wie eine Ohrfeige für den Vize-Kanzler, der die Fusion von Anfang zur Chefsache machte. Gabriel stürzt sich in Details wie keiner seiner Amtsvorgänger. Persönlich nimmt er an einer Anhörung mit den Konzern-Chefs und Gewerkschaften teil, macht Vorschläge für die Ministererlaubnis und überlässt dies nicht den Spitzenbeamten seines Hauses.
Dass jetzt wohl Tausende Mitarbeiter der angeschlagenen Kaiser's-Tengelmann-Gruppe die Folgen einer geplatzten Übernahme ausbaden müssen, ist wohl kaum Gabriel anzulasten. Die Schuldigen seien eher in den beteiligten Unternehmen zu suchen, heißt es in der Branche. Die Misere sei vor allem Folge des Managergebarens und persönlicher Abneigungen auf einem umkämpften Markt. Für den SPD-Chef dürfte es aber noch manch unangenehme Frage geben.
Tengelmann-Chef Karl-Erivan Haub will seine verlustbringenden Supermärkte unbedingt loswerden. Als er den Deal vor knapp zwei Jahren mit dem Handelsriesen Edeka einfädelt, hat er womöglich kaum Zweifel, dass die Ministererlaubnis problemlos durchgeht. Das Veto der Wettbewerbshüter kommt jedenfalls alles andere als überraschend. Schließlich beherrschen Edeka, Rewe, die Schwarz-Gruppe (Lidl, Kaufland) und Aldi zusammen 85 Prozent des Markts.
Bei der turbulenten Anhörung der Streithähne zur Ministererlaubnis im Wirtschaftsministerium poltert Haub gegen den ebenfalls erschienenen Rewe-Chef Alain Caparros. Der wehrt sich in Anwesenheit Gabriels gegen den Vorwurf der Rosinenpickerei und preist sich als Retter. Haub stellt da schon als einzige Alternative eine Zerschlagung in Aussicht. Er redet Gabriel ins Gewissen, sich für die Menschen zu entscheiden. Dass der SPD-Chef für Beschäftigte und Gewerkschaften etwas rausholen will, dürfte kaum überraschen.
Gabriel betont denn auch bei seiner Sondergenehmigung, der Schutz von Arbeitsplätzen bei Kaiser's Tengelmann sei wichtiger als die Bedenken des Kartellamts. Das sei sehr wohl ein „Gemeinwohlgrund“. Bis heute argumentiert er, die Ministererlaubnis sei genau deshalb erteilt worden, um eine solche Zerschlagung des Unternehmens zu verhindern. Die Entscheidung der Düsseldorfer Richter aber hat nicht nur Gabriel überrascht, sondern bestimmt auch den Tengelmann-Chef.
Vorwürfe seiner Kritiker, am Ende sei das möglicherweise fehlerhafte Verhalten bei der Ministererlaubnis Schuld am Verlust tausender Jobs, nennt Gabriel ein „durchschaubares Argument“. Immer wieder sagt er: „Verfahrensfehler gab es nach unserer Auffassung nicht.“ Der Minister hofft auf eine Klärung durch den Bundesgerichtshof. In der Union reibt man sich derweil die Hände. Ein SPD-Chef ohne Fortune im Ministeramt kommt im Bundestags-Wahlkampf immer gelegen. dpa