Prokon alarmiert Politik: Regierung will besseren Schutz für Anleger
Itzehoe/Berlin (dpa) - Als Konsequenz aus der Prokon-Insolvenz will die Bundesregierung Kleinanleger künftig besser vor riskanten Finanzprodukten schützen.
Nach einer Kabinettsklausur am Donnerstag in Meseberg kündigte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) an, Verbraucherminister Heiko Maas (SPD) und Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) würden entsprechende Vorschläge machen. Am Prokon-Sitz in Itzehoe bei Hamburg informierte der vorläufige Insolvenz-Verwalter Dietmar Penzlin über das weitere Vorgehen. Es zeichnet sich ein kompliziertes Verfahren ab. Für eine Bewertung der Lage und einen Ausblick zur Zukunft des Unternehmens sei es noch zu früh.
Nach dem Gang zum Insolvenzgericht will das Windkraft-Unternehmen nun Windparks verkaufen, um sich so dringend benötigtes Kapital zu besorgen. Es seien zwei Gespräche mit Marktteilnehmern geführt worden, sagte Prokon-Chef Carsten Rodbertus am Donnerstag am Firmensitz. Weitere würden folgen. „Damit werden wir auch den Nachweis erbringen, dass es stille Reserven im Unternehmen gibt, eben die Windparks.“
Zur Finanzierung von Windkraftanlagen hatte Prokon bewusst auf Kredite von Banken verzichtet, sich stattdessen das Geld von Kleinanlegern geholt und sogenannte Genussrechte ausgegeben. Dabei handelt es sich um kurzfristig kündbare Anlagen mit entsprechendem Ausfallrisiko. Prokon geriet wegen Kapitalkündigungen in eine Liquiditätsklemme und meldete am Mittwoch Insolvenz beim Amtsgericht Itzehoe an.
Der Fall Prokon mit seinen rund 75 000 Anlegern ist ein besonderer: Denn es müssen noch fundamentale juristische Fragen geklärt werden. Drei Rechtsprofessoren seien mit Gutachten beauftragt, sagte der vorläufige Insolvenzverwalter. Sie sollen die Frage klären, ob gekündigte Genussrechtsanteile von Anlegern offene Forderungen gegen das Unternehmen im Sinne des Insolvenzrechts seien. Nur dann sei Prokon überschuldet und das Amtsgericht könne das Insolvenzverfahren eröffnen. Andernfalls liege keine Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit vor, weil es keine weiteren nennenswerten offenen Forderungen gebe. Die Gutachten sollen in zwei bis drei Monaten vorliegen.
Sowohl Penzlin als auch Rodbertus wiederholten: Es sei weder der Ort noch die Stunde, um 24 Stunden nach dem Insolvenzantrag schon Angaben über die aktuelle Situation des Unternehmens, die Fehler der Vergangenheit oder die Perspektiven für die Zukunft zu machen. „Unser Ziel ist die Fortführung, der Erhalt und die Sicherung von Unternehmenswerten“, sagte Penzlin.
Betroffen sind 480 Mitarbeiter der Prokon Regenerative Energien GmbH, für die ein Insolvenzantrag gestellt worden ist. Sie erhalten vorübergehend Insolvenzgeld. Insgesamt beschäftigt das Unternehmen rund 1300 Mitarbeiter.
Die Prokon-Insolvenz hat auch die Politik in Berlin alarmiert: Die Bundesregierung will Verbraucher vor riskanten Finanzprodukten besser schützen und den „grauen Kapitalmarkt“ stärker an die Kandare nehmen. Kanzlerin Merkel sagte, es müsse immer wieder geschaut werden, wie sicher solche Produkte seien - auch bei neuen Formen der Bürgerbeteiligung im Zuge der Energiewende: „Das gilt sicherlich auch für Prokon“, so Merkel.
Verbraucherminister Maas erklärte: „Wo es Verbrauchern schwer fällt, sich selbst zu schützen, müssen wir für mehr Transparenz sorgen. Insbesondere im „grauen Kapitalmarkt“ sei funktionierender Anlegerschutz von großer Bedeutung. „Wir sind uns mit dem Bundesfinanzministerium einig, dass die Bafin den kollektiven Schutz der Verbraucher als wichtiges Ziel ihrer Aufsichtstätigkeit erhält.“ Nach Informationen der „Süddeutschen Zeitung“ prüft die große Koalition auch ein Verbot für den Verkauf riskanter Finanzprodukte an Kleinanleger. Einschränkungen beim Vertrieb sind bereits länger im Gespräch.
Schon nach Bekanntwerden der Schieflage hatten Union und SPD angekündigt, Konsequenzen zu prüfen und den weniger regulierten „grauen Kapitalmarkt“ schärfer zu beaufsichtigen. Im Gespräch sind unter anderem Vertriebsbeschränkungen, etwa Grenzen für den Verkauf von Genussrechten an Kleinanleger oder für Nachrangdarlehen.
Verbraucherschützer bekräftigten ihre Forderung, dass riskante Finanzprodukte wie geschlossene Fonds und Genussrechte Privatkunden nicht mehr aktiv angeboten werden dürften. „Nur die, die sich auskennen und die Risiken tragen können, sollen sie kaufen können“, sagte die Anlageexpertin des Verbraucherzentrale Bundesverbands, Dorothea Mohn, der Nachrichtenagentur dpa. Mit den Papieren des „grauen Kapitalmarkts“ könnten Anleger Totalverluste erleiden, der Preis bilde sich nicht am Markt und Risiken würden oft heruntergespielt.