Prozess: Wie der Fiskus um 250 Millionen Euro betrogen wurde
Manager sollen das große Rad mit Kohlendioxid-Zertifikaten gedreht haben — ohne jemals Umsatzsteuer zu zahlen.
Frankfurt. Einer der größten deutschen Wirtschafts-Strafprozesse hat mit einem umfassenden Geständnis begonnen.
Der jüngste der sechs angeklagten Manager gestand vor dem Frankfurter Landgericht, für Steuerhinterziehung in einer Größenordnung von 57 Millionen Euro verantwortlich zu sein. „Die gegen mich erhobenen Anschuldigungen sind wahr“, sagte der aus England stammende 27-jährige gelernte Bank- und Marketingfachmann.
Insgesamt sollen die sechs Manager Steuern von 250 Millionen Euro hinterzogen haben — durch windige Zertifikate-Geschäfte. „Die Angeklagten schufen sich mit den Straftaten eine ständige Einnahmequelle in Millionenhöhe“, sagte der Staatsanwalt.
Die 27 bis 66 Jahre alten Männer verschiedener Nationalitäten sollen ein sogenanntes Umsatzsteuer-Karussell betrieben und europaweit mit Kohlendioxid-Zertifikaten zwischen Kraftwerksbetreibern und anderen Energieunternehmen gehandelt haben. Die Hintermänner werden in den Vereinigten Arabischen Emiraten, Großbritannien und der Schweiz vermutet.
Der Handel mit Verschmutzungsrechten, die Firmen kaufen und verkaufen können, ist in Deutschland umsatzsteuerpflichtig. Die Angeklagten sollen diese Pflicht mit einem Trick umgangen haben. Später ließen sie sich die nicht gezahlte Steuer vom deutschen Fiskus erstatten. „In Dubai und in London war es ein offenes Geheimnis, dass damit Steuerhinterziehung betrieben wurde“, sagte der 27-Jährige vor Gericht.
Nachdem die britischen Behörden den Handel mit den Zertifikaten aus der Umsatzsteuerpflicht entlassen hatten, sei das Geschäft dort zusammengebrochen. Danach habe er in Deutschland nach Geschäftspartnern gesucht, um die für die Hinterziehung nötigen Geldmittel zu bekommen: „Um solche Steuern überhaupt hinterziehen zu können, brauchen Sie einen sehr hohen Umsatz.“ Schließlich habe sich die Deutsche Bank „zu meiner großen Überraschung“ als Handelspartner zur Verfügung gestellt, sagte der Mann.
Weder von der Bank noch vom Finanzamt seien Rückfragen zu den Steuererklärungen gekommen, sagte der 27-Jährige, der wie die fünf Mitangeklagten seit mehr als einem Jahr in Untersuchungshaft sitzt. „Ich dachte, vielleicht ist es doch legal, auch wenn es ethisch und moralisch sicher falsch war.“
Für das europaweit betriebene Umsatzsteuer-Karussell wurden über deutsche Gesellschaften Emissionsrechte aus dem Ausland gekauft und diese im Inland über zwischengeschaltete Gesellschaften weiterverkauft, ohne Umsatzsteuer zu bezahlen. Die letzte Gesellschaft in der Kette soll die Zertifikate ins Ausland verkauft haben. Dafür bekam sie die — nie gezahlte — Umsatzsteuer erstattet.