Reallöhne deutscher Arbeitnehmer steigen kräftig

Wiesbaden (dpa) - Viele Arbeitnehmer in Deutschland hatten im vergangenen Jahr deutlich mehr Geld in der Tasche. Mit 1,6 Prozent fiel die Reallohnsteigerung so stark aus wie noch nie seit der Wirtschaftskrise 2008, berichtete das Statistische Bundesamt auf Basis vorläufiger Zahlen.

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2013 hatte es wegen gestrichener Sonderzahlungen erstmals seit 2010 einen leichten Rückgang der Reallöhne von 0,1 Prozent gegeben.

Die Menschen haben mehr Geld in der Tasche, das wegen fehlender attraktiver Anlagemöglichkeiten verstärkt im Konsum landet. Diese Entwicklung wird nach Einschätzung von Experten auch im laufenden Jahr anhalten. IG Metall und IG BCE handeln gerade für mehr als vier Millionen Beschäftigte in den Kern-Industriebranchen Metall/Elektro und Chemie die neuen Verdiensttabellen aus.

Mit ihren in den Vorjahren meist überdurchschnittlichen Abschlüssen gelten die beiden Industriegewerkschaften als „Tarif-Lokomotiven“ und bestimmen daher einen wesentlichen Bestandteil der Gesamtlohnsumme. Sie fordern zwischen 5,5 (Metall) und 4,8 Prozent (Chemie) mehr Geld. Mit teils deutlich geringeren Gehaltssteigerungen müssen sich Menschen in beschäftigungsstarken Branchen wie Handel oder Gastgewerbe bescheiden.

Die Arbeitgeber mahnen zum Verzicht: „Die jüngsten Zahlen zeigen, dass sich die Arbeitnehmer in Deutschland bereits im vergangenen Jahr über ein deutliches Reallohnplus freuen konnten. (...) Vor dem Hintergrund, dass die internationale Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandorts sinkt, müssen wir in den laufenden Tarifrunden maßvolle Abschlüsse erzielen“, erklärte beispielsweise der Hauptgeschäftsführer der bayerischen Metallarbeitgeber, Bertram Brossardt. „Wir können die Unternehmen nicht überstrapazieren.“

Betrachtet man allein die von Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden ausgehandelten Tarifgehälter, zeigt sich für 2014 noch deutlicher ein realer Anstieg von 2,2 Punkten. „Bereits seit 2009 ist es den Gewerkschaften gelungen, Tarifsteigerungen durchzusetzen, die oberhalb der laufenden Preissteigerungsrate lagen“, sagt Reinhard Bispinck vom gewerkschaftlichen WSI-Tarifarchiv. Aus seiner Sicht ist das aber immer noch eine Aufholjagd nach Einbrüchen in den 2000er-Jahren, in denen die deutschen Reallöhne dem europäischen Trend hinterherhinkten.

Auf europäischer Ebene sind höhere Löhne in Deutschland durchaus willkommen, verbessern sich damit doch die Wettbewerbschancen der Konkurrenz in anderen EU-Ländern - sofern dort die Arbeitskosten weniger stark steigen. Nach dem Kalkül der Europäischen Zentralbank könnte zudem die stabile Kauflaune in Deutschland die Verbraucherpreise antreiben und so mithelfen, die Gefahren einer Deflation im Euroland abzuwenden.

Die niedrige Inflation wird nach Einschätzung von Experten auch im laufenden Jahr anhalten. Die zuletzt stark gesunkenen Energiepreise werden nach Einschätzung von Bundesbank-Chef Jens Weidmann dazu führen, dass die Preise um weniger als die bislang für 2015 prognostizierten 1,1 Prozent steigen. Gleichzeitig entwickelt sich die Wirtschaft stärker als zuletzt angenommen. Zuletzt hatten Bundesregierung und EU-Kommission ihre Wachstumserwartungen für 2015 auf 1,5 Prozent hochgesetzt.