Regierung dringt auf schnelle Reform der Eurozone
Berlin (dpa) - Die Bundesregierung dringt auf rasche Änderungen der EU-Verträge und will Strafen für Euro-Schuldensünder verankern.
Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte am Samstag, nur wenn sich Europa dazu durchringe, Verstöße gegen den Stabilitäts- und Wachstumspakt konsequent zu ahnden, könne verlorenes Vertrauen auf den Märkten zurückgewonnen werden.
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble forderte Schritte hin zu einer raschen Fiskalunion der 17 Euro-Länder. Die Währungsunion solle möglichst schnell um Teile einer Fiskalunion ergänzt werden, sagte der CDU-Politiker der Nachrichtenagentur dpa.
In einer Fiskalunion könnten sich die europäischen Partner darauf verständigen, Rechte ihrer Haushaltspolitik an Brüssel abzugeben und sich den Vorgaben und Kontrolle bei der Ausgabenpolitik zu unterwerfen. Vor allem das Parlament hat bisher in der Euro-Schuldenkrise auf sein Königsrecht der Haushaltshoheit gepocht.
Schäuble wies Forderungen aus den Euro-Ländern nach einem stärkeren Engagement der Europäischen Zentralbank (EZB) zurück: „Wenn wir die Vertrauenskrise überwinden wollen, schaffen wir das nicht dauerhaft, in dem wir die EZB in eine Rolle bringen, die in den Verträgen nicht vorgesehen ist.“
Einige Ökonomen und Politiker hatten zuletzt gefordert, die Notenbank solle nicht wie bisher nur Staatsanleihen kaufen, die bereits im Umlauf sind, sondern auch aus erster Hand bei Schuldenstaaten wie Italien und Spanien zugreifen. Dafür müsste die EZB viel Geld in die Hand nehmen und voraussichtlich die Notenpresse anwerfen. Damit würde die Gefahr einer Geldentwertung steigen.
Selbst wenn es danach ein paar Monate ruhiger an den Märkten werden würde, bestünde dann die Gefahr, dass das Vertrauen in den Euro als stabile Währung untergraben würde und die Probleme nach kurzer Zeit wieder aufflackern würden, sagte Schäuble. „Die Notenbank ist nicht dafür da, Staatsschulden zu finanzieren. Wir haben vertragliche Regelungen. Wir haben eine unabhängige EZB. Punkt.“
Der bessere Weg sei, jetzt eine Fiskalunion zu schaffen. „Das heißt aber nicht, dass wir kein Haushaltsrecht mehr haben“, betonte Schäuble. Die Staats- und Regierungschefs sollten sich bei ihrem Treffen Anfang Dezember darauf verständigen, ein Verfahren zu Vertragsänderungen anzugehen. „Ein solcher Beschluss, mit einem klaren Ziel und Zeitplan würde dazu beitragen, die Finanzwelt und die Euro-Zone insgesamt zu beruhigen und zu stabilisieren.“
Laut Bundesregierung könnte im Sommer ein Europa-Konvent einberufen werden, um bis Jahresende 2012 die Korrekturen an den EU-Verträgen unter Dach und Fach zu haben. Dann stünde noch die langwierige Ratifizierung in den 27 EU-Staaten aus.
Zu möglichen Strafen für Euro-Schuldensünder sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel auf einem Landesparteitag der CDU Mecklenburg-Vorpommerns in Levenhagen bei Greifswald, wer immer wieder die Stabilitätskriterien verletze, müsse auch vor dem Europäischen Gerichtshof zur Verantwortung gezogen werden können. Die EU müsse zeigen, dass sie auf neue Probleme neue Antworten finden könne. „Deshalb werde ich - und wird die Bundesregierung - auf begrenzte Vertragsänderungen hinarbeiten“, bekräftigte Merkel.
Bundesbank-Präsident Jens Weidmann bekräftigte seine Warnung vor einer weiteren Ausdehnung der Staatsanleihen-Käufe durch die EZB. „Ich glaube nicht, dass im Euroraum Vertrauen dadurch geschaffen werden kann, dass die Notenbank ihr Mandat überdehnt oder gar gegen die EU-Verträge verstößt“, sagte Weidmann im Deutschlandradio Kultur. Aufgabe der EZB sei es, den Euro als stabile Währung zu erhalten.
Im Gegensatz zum Bundesbank-Präsidenten drängt etwa Wirtschaftsforscher Thomas Straubhaar zu einem verstärkten Einschreiten der EZB. Es bleibe nur noch die EZB als „Geld-Feuerwehr“, um existenzielle Risiken für Stabilität zu verhindern, sagte er der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (Samstag).
Der dramatische Substanzverlust in der Euro-Zone sei nicht mehr mit traditionellen Hausmitteln zu bekämpfen. In Italien, Spanien und jetzt auch in Frankreich und Österreich drohe der Kollaps, den nur die EZB noch verhindern könne, betonte der Direktor des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts (HWWI).
Ähnlich äußerte sich Altkanzler Gerhard Schröder: Im Programm von MDR Info plädierte der SPD-Politiker dafür, der Europäischen Zentralbank notfalls einen unbegrenzten Ankauf von Staatsanleihen von Schuldnerländern zu erlauben. Es sei nötig, das dogmatische Verständnis der deutschen Politik in dieser Frage zu relativieren. „In letzter Konsequenz, wenn die Situation in Italien, Spanien und möglicherweise auch in Frankreich sich verschärft, wird die EZB deutlich machen, dass sie zur Verteidigung des Euros unbegrenzt intervenieren wird.“