Rekordstand nach Europawahlen: Geht die Börsenrallye weiter?
Der deutsche Leitindex steigt nach den Europawahlen auf einen Rekordstand.
Frankfurt. Die AfD in Deutschland, Front National in Frankreich, Syriza in Griechenland: Das Wahlkampfthema Eurokrise hat europakritischen Parteien bei der Wahl zum EU-Parlament Auftrieb gegeben. Sorgt die Aussicht auf Gegenwind für die Euro-Retter jetzt auch an den Finanzmärkten für Unruhe?
Die Anleger scheinen recht unbeeindruckt von den Wahlerfolgen der Eurokritiker. Der Eurokurs stieg am Tag nach der Wahl, an wichtigen europäischen Börsen ging es aufwärts, der Dax schloss am Montag auf einem Rekordhoch (9893 Punkte). Kornelius Barczynski vom Brokerhaus GKFX hält es für möglich, dass der Leitindex noch in dieser Woche über die 10 000-Punkte-Marke springt.
Zunächst ändert die neue Zusammensetzung des EU-Parlaments nicht viel am Brüsseler Krisenkurs. Akuten Handlungsbedarf gibt es derzeit nicht. Die Sorgenkinder Spanien, Irland und Portugal haben den Euro-Rettungsschirm verlassen. Sie und andere potenzielle Krisenländer kommen am Kapitalmarkt zu günstigeren Konditionen an frisches Geld, als in der Hochzeit der Krise.
Interessant dürfte es werden, wie die französische Regierung auf den Erfolg der rechten Front National reagiert. Präsident François Hollande wird sich überlegen müssen, wie er Wähler zurückgewinnt. Ließe er sich von den Rechten in Eurofragen zu Untätigkeit verleiten, könnte das die gesamte EU lähmen. Denn Frankreich hat selbst Probleme mit seiner Staatsverschuldung — und leidet unter einer Konjunkturschwäche.
In Griechenland ist es eindeutig so gekommen: Die EU-kritische, radikallinke Syriza wurde stärkste Kraft. Europafeindlich ist Syriza aber nicht: Sie kritisieren zwar scharf die internationalen Sparvorgaben, wollen aber nicht mehrheitlich aus der Eurozone austreten. Im ebenfalls wirtschaftlich nicht gerade florierenden Italien entschieden die Wähler anders: In der drittgrößten Volkswirtschaft der Eurozone holte die Partei des als reformfreudig und proeuropäisch geltenden Premierministers Matteo Renzi mehr als 40 Prozent der Stimmen. Der italienische Aktienindex legte kräftig zu, italienische Staatsanleihen waren bei Anlegern gefragt.
Ja, das Votum hat Auswirkungen. Zum Beispiel gab der Ölpreis nach, was Händler als Folge der Entspannung zwischen Kiew und Moskau werteten. Die Ukraine ist ein wichtiges Transitland für Energielieferungen in den Westen. Deshalb reagiert der Ölmarkt stark.
Entscheidender Treibstoff für die Aktienkurse sind Spekulationen über weitere geldpolitische Lockerungen der EZB. In der kommenden Woche könnte Zentralbankchef Mario Draghi eine weitere Senkung der Leitzinsen verkünden. Damit würde noch mehr billiges Geld in Umlauf kommen.