RWE hofft auf Licht am Ende des Tunnels
Berlin/Essen (dpa) - Der von Atomausstieg und Energiewende gebeutelte Versorger RWE sendet wieder vorsichtig optimistische Signale. Nach jahrelangen Preisrückgängen an den Strombörsen rechne er mit einer Konsolidierung, sagte RWE-Chef Peter Terium in einem Interview der Nachrichtenagentur dpa.
„Wir haben derzeit eher weniger Sorgen, dass der Preis weiter fällt“, sagte Terium weiter. Für RWE bedeute das eine Entlastung bei den Ergebnissen. „Wir wollen in der Erzeugung die schwarze Null halten“, sagte Terium.
Dazu trügen auch die erfolgreichen Kosteneinsparungen der vergangenen zwei Jahre gerade bei den Kraftwerken bei. Der Börsenstrompreis war von 2011 bis Ende 2013 von etwa 55 auf 38 Euro pro Megawattstunde (Ein-Jahres-Kontrakte) gefallen.
RWE hatte 2013 wegen hoher Abschreibungen auf seinen europäischen Kraftwerkspark erstmals Milliardenverluste ausgewiesen. Im ersten Quartal 2014 fiel das um Sonderposten bereinigte Nettoergebnis um mehr als ein Drittel auf rund 840 Millionen Euro.
Die geplanten Gespräche mit der Bundesregierung über den „Kapazitätsmarkt“ für konventionelle Kraftwerke in Lieferbereitschaft erwartet Terium nach dem Sommer. Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) habe das Thema im Frühjahr für die Zeit nach der Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) terminiert. „Ich gehe davon aus, dass im Sommer ein Dialog aufgesetzt wird, in den auch Wissenschaft und Marktspieler einbezogen sind“, sagte Terium.
Hintergrund ist, dass Kohle- und Gaskraftwerke wegen des Ökobooms und der lahmenden Wirtschaft in Südeuropa zunehmend aus dem Markt gedrängt werden. Sie lassen sich vielfach nicht mehr rentabel betreiben, sind aber zur Versorgungssicherheit weiter nötig. Die Energieversorger als Betreiber fordern daher ein neues System, in dem nicht nur die abgerufene Leistung, sondern auch schon das Bereithalten der Anlagen selbst honoriert wird.
„Die Wirtschaft hat schon vorgearbeitet“, sagte der RWE-Chef. Es gibt zahlreiche Vorschläge für einen Kapazitätsmarkt - unter anderem das Modell des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) und des Verbandes der Kommunalen Unternehmen (VKU). Die Verbände setzen auf Auktionen, bei denen die nötigen Kapazitäten ausgeschrieben und an den günstigsten Anbieter im Wettbewerb vergeben werden sollen. Es wird aber auch Kritik geäußert. So fürchtet etwa das Bundeskartellamt, dass die großen Anbieter in solchen Auktionen Vorteile haben würden.
Derzeit sorgen die vielfach nicht kostendeckenden Börsenpreise branchenweit für Stilllegungen: Allein RWE will bis Anfang 2016 europaweit mehr als 6 Gigawatt (GW) an Kraftwerksleistung vorübergehend oder komplett stilllegen oder Bezugsverträge beenden, bei Konkurrent Eon sind es 13 GW.
Auch viele kommunale Versorger gehen vom Netz. In Deutschland prüft die Bundesnetzagentur jeweils, ob sie die Anlage als systemrelevant einstuft, ob sie also im Fall von Stromengpässen benötigt wird. Im Fall des Gaskraftwerks Irsching bei Ingolstadt muss Eon etwa die Anlagen weiterlaufen lassen und bekommt dafür eine Kompensation vom Netzbetreiber.
Langfristig wird sich das Geschäft der Energieversorger komplett wandeln, erwartet Terium: Zur weiterhin notwendigen Erzeugung in Großkraftwerken - dazu gehörten künftig auch Windparks auf See - kommen dezentrale, technisch anspruchsvolle Einzellösungen. „Die Energiewelt der Zukunft wird so komplex wie IT heute“, sagte Terium. Bei RWE habe die Stromerzeugung vor allem mit Gas- und Kohlekraftwerken lange allein die Hälfte des Ergebnisses gebracht; Handel, Vertrieb und Netze den Rest. Diese zentrale Rolle spiele die konventionelle Erzeugung heute nicht mehr.
In der neuen dezentralen Energiewelt biete RWE Solar- und Mikrokraftwerkslösungen, helfe den Einzelkunden beim Energiemanagement in beide Richtungen - also auch beim Einspeisen ins Netz, beim Energiespeichern für den eigenen Haushalt und beim Energiesparen. „Die konventionelle Erzeugung wird dabei vom Lastesel des Unternehmens zum Bereitschaftsdienst“, sagte Terium. Die Renditen im neuen Dienstleistungsgeschäft könnten mit den früheren Kraftwerksgewinnen vielfach nicht Schritt halten. Dennoch liege dort die Zukunft. „Bescheidenheit ist auch eine Tugend.“