NRW Schweiz schickt Spitzel nach NRW - Finanzminister empört

Norbert Walter-Borjans (SPD) hat die Schweiz fürs Ausspionieren der Finanzverwaltung scharf kritisiert - das Land gleichzeitig aber auch zu einer künftigen "konstruktiven Zusammenarbeit gegen Steuerbetrug" aufgefordert.

Seit Januar 2006 hatten mehrere Bundesländer - darunter Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg, Niedersachsen und Rheinland-Pfalz - CDs aus der Schweiz und Liechtenstein mit Daten unter anderem zu Steuerbetrugsfällen gekauft.

Foto: Henning Kaiser

München. Der nordrhein-westfälische Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD) hat die Schweiz scharf kritisiert, das Land gleichzeitig aber auch zu einer künftigen "konstruktiven Zusammenarbeit gegen Steuerbetrug" aufgefordert. Walter-Borjans reagierte auf einen Bericht, wonach der Schweizer Geheimdienst einen Spitzel in der Finanzverwaltung von Nordrhein-Westfalen platziert haben soll.

"Wenn Spione Informanten anheuern, um die erfolgreichen NRW-Steuerfahnder bei ihrer Arbeit zu bespitzeln und denen in die Hände zu spielen, die Milliardengeschäfte auf Kosten der Allgemeinheit machen, erreicht der Skandal eine neue Dimension", sagte er dem "Kölner Stadt-Anzeiger" vom Donnerstag.

Auch SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz zeigt sich alarmiert. „Ich halte das für einen weitreichenden Vorgang“, sagte Schulz am Donnerstag in Husum. Der Fall zeige, dass der Kampf gegen Steuerhinterziehung fortgesetzt werden müsse.

Der Schweizer Geheimdienst soll einem Medienbericht zufolge auch einen Spitzel in der Finanzverwaltung von Nordrhein-Westfalen platziert haben. Das geht nach Informationen von „Süddeutscher Zeitung“, NDR und WDR aus dem Haftbefehl gegen den am Freitag festgenommenen Schweizer Agenten Daniel M. hervor. Demnach sollte die Quelle im „Geschäftsbereich“ der NRW-Finanzverwaltung Informationen darüber beschaffen, wie deutsche Behörden beim Ankauf sogenannter Steuer-CDs aus der Schweiz vorgehen.

Seit Januar 2006 hatten mehrere Bundesländer - darunter Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg, Niedersachsen und Rheinland-Pfalz - CDs aus der Schweiz und Liechtenstein mit Daten unter anderem zu Steuerbetrugsfällen gekauft. Dies sorgte für Verstimmungen in den Beziehungen zur Schweiz. Am Freitag war in Frankfurt am Main der 54-jährige Schweizer Daniel M. festgenommen worden - nach Angaben der Bundesanwaltschaft „wegen mutmaßlicher geheimdienstlicher Agententätigkeit“ für „den Geheimdienst einer fremden Macht“. Medienberichten zufolge soll er im Zusammenhang mit dem Ankauf sogenannter Steuer-CDs deutsche Steuerfahnder bespitzelt haben.

Wie „Süddeutsche Zeitung“, NDR und WDR berichteten, wurde die Operation offenbar von höchster Stelle im Schweizer Geheimdienst NDB gesteuert. Verantwortlich sei dem Haftbefehl zufolge der stellvertretende Leiter des NDB gewesen. Dem Bericht zufolge erteilte der NDB im Jahr 2012 einen Auftrag an den Privatdetektiv M., einen früheren Polizisten und Sicherheitsberater. Er sollte demnach sein Kontaktnetzwerk nutzen, um die Arbeitsweise der deutschen Steuerbehörden zu durchleuchten.

Der NDB hatte dem Bericht zufolge zu diesem Zeitpunkt bereits eine Liste mit den Namen und persönlichen Daten deutscher Steuerfahnder angefertigt. M. erhielt demnach den Auftrag, diese Liste zu vervollständigen. Dabei habe ihm ein ehemaliger Kriminaloberrat aus Deutschland geholfen, der ebenfalls als Sicherheitsberater tätig gewesen sei. Wie „Süddeutsche Zeitung“, NDR und WDR unter Berufung auf den Haftbefehl berichteten, gelang es M. und seinem Helfer, die Liste zu vervollständigen. Damit sei es den Schweizer Behörden möglich gewesen, die am Ankauf der Bankdaten beteiligten deutschen Steuerfahnder zu identifizieren.

Dies soll dann auch die Grundlage für mehrere Haftbefehle der Schweizer Justiz gegen deutsche Steuerfahnder gewesen sein. M. und seine Helfer sollen laut Haftbefehl zudem eine Quelle im Geschäftsbereich der nordrhein-westfälischen Finanzverwaltung „platziert“ haben, wie es in dem Bericht weiter hieß. Die deutschen Ermittler wissen demnach offenbar nicht, wer diese Quelle gewesen sein soll. Sie sollte den Schweizer Agenten dem Bericht zufolge verraten, wie die Steuerfahnder beim Ankauf von Kundendaten aus der Schweiz vorgingen. Womöglich habe der Nachrichtendienst auch das Ziel verfolgt, die undichte Stelle bei der Bank Credit Suisse ausfindig zu machen, oder weitere Datenlecks zu verhindern.

Laut „Süddeutscher Zeitung“, NDR und WDR soll M. dem Haftbefehl zufolge Anfang 2015 die Nachricht erhalten haben, dass seine Quelle in der Finanzverwaltung demnächst erste Informationen preisgeben werde. Für die Operation soll der Schweizer Geheimdienst dem Bericht zufolge insgesamt 90.000 Euro zugesagt haben, von denen mindestens 60.000 Euro auch an M. und seinen deutschen Partner geflossen sein sollen. AFP