Seehofer trotzt den Netzbetreibern

Der Ministerpräsident stemmt sich gegen neue Trassen nach Bayern. Die Netzanbieter halten an ihren Plänen fest.

Horst Seehofer beim Arbeitgebertag in Berlin.

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Berlin. Am Anfang steht immer die „Raum-Widerstands-Analyse“. Wo sind Naturschutzgebiete, wo drohen Probleme? Nicht so sehr auf der Rechnung hatten die Betreiber von Deutschlands Stromautobahnen das Hindernis Horst Seehofer.

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Bayerns Ministerpräsident hat sich quasi an die Spitze der Bewegung gegen neue „Monster-Trassen“ gesetzt. Ihn interessiere „nicht so sehr, welche Striche zeichnen wir durch Deutschland“, stichelt er am Dienstag beim Arbeitgebertag gegen die wenige Stunden zuvor veröffentlichten neuen Ausbaupläne der vier Übertragungsnetzbetreiber. Denn die halten weiter an drei großen Höchstspannungstrassen vom Norden und Osten in den Süden fest. Seehofer traut ihnen aber nicht. Er meinte jüngst, ihr Hauptmotiv sei der Profit, die Ausbaupläne seien reine „Kapitalsammelstellen“.

Schon jetzt werden die 2800 Kilometer an neuen Trassen und 2900 Kilometer, die aufgerüstet werden sollen, rund 22 Milliarden Euro kosten — ohne Erdverkabelung. Kann aber der Windstrom aus dem Norden Versorgungssicherheit in Bayern garantieren, fragt Seehofer bei den Arbeitgebern. Und er will „eine saubere Systemanalyse für die Netze, damit uns da nicht die Kosten über den Kopf wachsen“. Und warum eine lange Leitung von Sachsen-Anhalt durch Thüringen nach Ostbayern?

Auch den durch die Mitte Deutschlands verlaufenden SuedLink sieht er kritisch. Er will bis Februar entscheiden, ob er beides akzeptiert, oder gar keine Leitung, oder aber nur eine. „Ich möchte es immer gern schriftlich“, sagt Seehofer. Zumindest von Fachseite hat er es nun. Der neue Entwurf für den Netzausbau, in den auch die gekappten Ausbauziele bei der Windenergie eingeflossen sind, hat nur wenig am Bedarf verändert.

Das meinen zumindest die Netzbetreiber Amprion, 50Hertz, Tennet und TransnetBW, die noch einmal alles durchgerechnet haben.

In ihrem überarbeiteten Entwurf halten die Unternehmen vor allem an der umstrittenen Ost-Süd-Trasse fest. Sie soll nun aber nicht mehr in Bad Lauchstädt (Sachsen-Anhalt) in der Nähe eines Braunkohlereviers starten, sondern 110 Kilometer weiter nördlich bei Magdeburg, um mehr Windstrom einzusammeln.

Denn ein Vorwurf lautete, mit der Trasse solle vor allem dreckiger Braunkohlestrom nach Bayern kommen. Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) beklagt „irre Zustände“: In Süddeutschland werde ein Atomkraftwerk nach dem anderen abgeschaltet. Weil der im Norden im Überfluss produzierte Windstrom aber wegen fehlender Leitungen nicht in den Süden komme, müsse dort Strom aus veralteten Öl-Kraftwerken in Österreich zugekauft werden.

Damit die Leitungen bis zur Abschaltung der letzten Atommeiler 2022 weitgehend stehen, ist es schon jetzt ein Wettlauf mit der Zeit. Der Klageweg wurde verkürzt, als einzige Instanz ist nur der Gang zum Bundesverwaltungsgericht in Leipzig möglich. Nun muss die Bundesnetzagentur entscheiden, ob sie den Vorschlag übernimmt.