Siemens beendet jahrelanges Drama um SIS

München/Paris (dpa) - Befreiungsschlag nach jahrelangem Drama: Siemens-Chef Peter Löscher gibt die Problemsparte SIS in die Hände des französischen IT-Unternehmens Atos Origin und steigt zugleich bei dem Partner ein.

Dabei zahlt der Elektrokonzern zwar drauf, doch das ist es Löscher wert.

Er wird nicht nur eines der letzten großen Sorgenkinder los, sondern kann den tiefgreifenden Konzernumbau damit auch weitgehend abschließen. Ergebnis der Allianz mit den Franzosen soll ein führendes europäisches IT-Unternehmen mit zusammen fast neun Milliarden Euro Umsatz und nahezu 79 000 Beschäftigten sein. Dafür haben die Manager auch politische Rückendeckung aus Berlin und Paris bekommen, wie Löscher und sein Atos-Kollege Thierry Breton bei einer Pressekonferenz betonen. „Das ist ein großer Tag für die industrielle Partnerschaft zwischen Deutschland und Frankreich, nicht nur für Siemens und Atos“, sagt der Siemens-Chef.

Der Deal passt in sein Konzept: Seit seinem Amtsantritt vor dreieinhalb Jahren konzentriert Löscher den Elektrokonzern auf die drei Geschäftsfelder Industrie, Energie und Medizintechnik. Im Fokus hat er dabei vor allem umweltfreundliche Technologien, die in den kommenden Jahren noch deutlich zulegen sollen. Der IT-Dienstleister SIS fand in dieser Strategie nicht mehr recht Platz. Seit Jahren leidet die Sparte unter scharfem Wettbewerb und hohem Preisdruck, Volumenrückgängen und Ertragsproblemen. Mehrere Verkaufs- und Sanierungsanläufe schlugen fehl. Auch das vierte Quartal des vergangenen Geschäftsjahres schloss SIS mit hohen Verlusten ab.

Deshalb hatte Löscher im März die Ausgliederung des IT-Dienstleisters auf den Weg gebracht. Nachdem SIS noch unter seinem Vorgänger Klaus Kleinfeld eingegliedert worden war, bedeutete das zwar eine Kehrtwende, die obendrein mit dem Abbau von weltweit 4200 Arbeitsplätzen einherging. Selbst bei Arbeitnehmervertretern galt aber eine Sanierung der Sparte als unausweichlich. In der Allianz mit Atos dürften nun weitere 1750 Jobs wegfallen.

Löscher kann sich damit wieder ganz aufs Tagesgeschäft konzentrieren, das derzeit wie geschmiert läuft für Siemens: Nach einem Rekordergebnis im abgelaufenen Geschäftsjahr hat der Konzern für dieses und kommendes Jahr schon weitere Zuwächse bei Umsatz und Gewinn in Aussicht gestellt und auch Wettbewerbern den Kampf angesagt - allen voran dem US-Erzrivalen General Electric. Der bläst seinerseits zum Angriff und will im kommenden Jahr wieder ein Umsatzplus verbuchen, wie GE-Chef Jeff Immelt verkündet.

Der französische Siemens-Partner Atos Origin erhofft sich von der SIS-Integration große Chancen. Wachstumsimpulse verspreche vor allem das sogenannte Cloud Computing, also die Nutzung von IT-Leistungen über Datennetze statt über lokale Rechner, sagt Atos-Chef Breton. Der Bedarf für Datenspeicherungen beispielsweise verdoppele sich etwa alle 18 Monate.

Der Branchenverband Bitkom sieht gute Startbedingungen für das neue Unternehmen. Nach Branchenschätzungen dürfte der Weltmarkt für IT-Dienstleistungen in diesem Jahr um knapp 2 Prozent auf 466 Milliarden Euro gewachsen sein, erklärte Bitkom-Präsident August-Wilhelm Scheer. Für 2011 werde mit 4,5 Prozent Wachstum gerechnet. Gerade IT-Outsourcing und Cloud Computing als Geschäftsfelder der neuen deutsch-französischen Allianz trieben den Markt an.