Siemens wird zur Großbaustelle

Vorstandschef Joe Kaeser will die Sparten auflösen. Tausende Stellen sind bedroht.

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München. Erst Ruhe und Ordnung und jetzt der größte Umbau seit Jahren: Neun Monate nach seinem Amtsantritt packt Siemens-Chef Joe Kaeser nun wohl doch überraschend viel an bei Deutschlands größtem Elektrokonzern. Von der Auflösung der Sektoren über die Trennung von Vorstand Michael Süß bis hin zu Zu- und Verkäufen reichen die Aufgaben — und ganz nebenbei traut sich Kaeser eine milliardenschwere Übernahme des französischen Industrierivalen Alstom zu.

Zuletzt sind bereits viele Details durchgesickert: Die von Kaesers Vorgänger Peter Löscher eingeführte Einteilung in die vier Sektoren Energie, Industrie, Medizintechnik und Infrastruktur & Städte dürfte sich demnach erledigen, und es soll weniger Divisionen geben. Dadurch ergäben sich auch Veränderungen im Hierarchie-Gefüge des Konzerns. Hinzu kommt der Zukauf des Gasturbinen- und Kompressorengeschäfts von Europas größtem Flugzeugtriebwerkhersteller Rolls-Royce. Auch beim geplanten Verkauf seines Logistik-Geschäfts soll der Dax-Konzern nach Medienberichten entscheidend vorangekommen sein.

Spekuliert wird seit Wochen über Tausende bedrohte Jobs — dabei hatte Siemens erst wegen des Sparprogramms 15 000 Stellen gestrichen. Betroffen sollen nun vor allem Arbeitsplätze in der Verwaltung sein. Das Unternehmen schweigt dazu. Eine Personalie sickerte aber bereits durch: Der für den Energiesektor zuständige Vorstand Michael Süß wird wohl gehen müssen. Er war im vergangenen Jahr zeitweise sogar als möglicher Nachfolger Löschers gehandelt worden, der nach zwei Gewinnwarnungen in kurzer Folge Ende Juli vergangenen Jahres seinen Hut nehmen musste.

Weniger Bürokratie, schlankere und übersichtlichere Strukturen und eine straffere Führung dürften die wichtigsten Ziele des Top-Managers sein. Siemens braucht wieder Anschluss an Wettbewerber wie den US-Mischkonzern GE, dem die Münchner seit Jahren in Sachen Rendite hinterherhecheln. Auch in der Akquisitionspolitik will Kaeser nach Rückschlägen seines Vorgängers Löscher zeigen, dass er es besser kann. Vielversprechende Geschäftsfelder stärken und weniger Zukunftsträchtiges abstoßen, heißt dabei seine Devise.

Beide Baustellen haben zunächst wenig miteinander zu tun. Die Pläne für den Umbau, den Kaeser dem Aufsichtsrat vorlegt, reifen spätestens seit dem Wechsel des früheren Finanzvorstands an die Spitze von Siemens. Sollten die Münchner bei den Franzosen zum Zuge kommen, müsste Kaeser wohl ein weiteres Mal größere Umbauarbeiten beginnen. Doch ein Selbstläufer ist das Kräftemessen mit GE um Alstom nicht, der Ausgang ist offen. Derzeit neigen die Franzosen eher zum Angebot der Amerikaner.