Rampen und Lifte Sparkassen setzen auf behindertengerechten Ausbau
Stuttgart (dpa) - Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels setzen immer mehr Sparkassen auf den barrierefreien Ausbau ihrer Filialen.
In Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, im Saarland und der Region Hessen-Thüringen haben sich insgesamt rund 60 Kassen zu Maßnahmen verpflichtet, wenn Sanierungen oder Neubauten anstehen. Es geht um Rampen, Lifte oder Geldautomaten, die auch von Rollstuhlfahrern problemlos genutzt werden können. Damit schaffe man einen Mehrwert und könne sich von Konkurrenten abgrenzen, heißt es von Baden-Württembergs Sparkassenverband.
Nach Auffassung von Behindertenverbänden haben Sparkassen beim Thema barrierefreier Ausbau eine Vorreiterrolle. Volksbanken und Privatbanken wie die Deutsche Bank sowie die Commerzbank betonen zwar ebenfalls, das Thema sei ihnen wichtig und sie machten Fortschritte. Zentrale Selbstverpflichtungen haben sie aber nicht.
Es geht nicht nur um Baumaßnahmen, sondern auch um Zusatztechnik: So verfügen Geldautomaten über Kopfhörer-Anschlüsse, worüber Sehbehinderten die Funktionen vorgelesen werden können. Prospekte und Formulare sollen zudem auch in Blindenschrift oder in Großbuchstaben vorliegen. Außerdem wurde Technik gekauft, mit der Schwerhörige leichter mit dem Bankpersonal sprechen können. Zudem sind einige Geldautomaten so gestaltet, dass Rollstuhlfahrer unter die Maschine fahren und dadurch besser an die Tastatur kommen.
Beispiel für eine Baumaßnahme: Die Zentrale der Sparkasse in Pforzheim wurde so umgebaut, dass Rollstuhlfahrer nun trotz der Hanglage eigenständig ins Gebäude kommen können.
Baden-Württembergs Sparkassenverbandschef Peter Schneider hält die Baumaßnahmen auch betriebswirtschaftlich für sinnvoll. „Wenn man sich die Demografie anschaut, werden bald sehr viele Menschen mit persönlichem Handicap Bankfilialen aufsuchen“, sagte Schneider. Die Investitionen bedienten nicht nur eine steigende Nachfrage, sondern sie nützten der Sparkasse auch im harten Wettbewerb mit anderen Bankhäusern. „Über den reinen Preiswettbewerb etwa mit reinen Internetbanken können wir nicht bestehen - wir als öffentlich-rechtliche Institute müssen stattdessen einen Mehrwert generieren, damit die Kunden uns als ihr Finanzinstitut wählen.“ Der behindertengerechte Ausbau sei so ein Mehrwert.
Die Statistik stützt solche Überlegungen: Rund zehn Prozent der Bundesbürger gelten als schwerbehindert, Tendenz steigend. Gemeint sind aber nicht nur Gehbehinderte, sondern auch Kranke - wer zum Beispiel zur Dialyse muss, gilt ebenfalls als schwerbehindert.
Trotz der Vorreiterrolle: Meilenweit vorne sind die Sparkassen noch nicht. So liegt der baden-württembergische Sparkassenverband unter den eigenen Erwartungen. Eigentlich sollten alle 51 Südwest-Kassen die Selbstverpflichtung von 2013 bis Ende 2017 unterschrieben haben, bisher taten dies nur 26. Es gebe mitunter noch Bedenken wegen der Kosten, sagte Schneider. „Solche Bedenken sind aber weitgehend unbegründet, denn viele Projekte zur Barrierefreiheit kosten nicht viel.“ Bei Neu- oder Umbauten planten die meisten Sparkassen ohnehin schon behindertengerecht. Schneider zeigte sich zuversichtlich, dass in naher Zukunft alle 51 Sparkassen in Baden-Württemberg der Zielvereinbarung beitreten werden.
Der Sparkassenverband Rheinland-Pfalz ist weiter - alle 23 Sparkassen haben die Vereinbarung aus dem Jahr 2012 unterschrieben. In Hessen-Thüringen sind es zwar erst sieben von 49 Kassen in dieser Region, die Vereinbarung ist aber erst von 2016. Andere Sparkassenverbände - etwa im Rheinland, Westfalen-Lippe, Niedersachsen und in Ostdeutschland - haben keine Selbstverpflichtung abgeschlossen.
Es sei gut, dass es beim Thema Fortschritte gebe, sagte Brigitte Schick, Vorsitzende des Blinden- und Sehbehindertenverbandes Baden-Württemberg. „Aber glücklich bin ich nicht - ich hätte mir mehr gewünscht.“ Sie appellierte an alle Sparkassen, eine entsprechende Vereinbarung zu unterschreiben. „Barrierefreiheit hilft allen Menschen, auch Müttern mit Kinderwagen und älteren Menschen.“
Der Sozialverband VdK sieht die Vereinbarungen der Sparkassen zwar positiv, bemängelt aber, dass es keine Sanktionen bei Nichteinhaltung geben würde. „Zielvereinbarungen eignen sich zur Aufklärung, Sensibilisierung und Bewusstseinsbildung, sie sind aber kein wirksames Instrument zur Durchsetzung des Menschenrechts auf Barrierefreiheit“, sagte eine VdK-Sprecherin. Notwendig sei ein Gesetz, das die Privatwirtschaft zur barrierefreien Gestaltung von Dienstleistungen und Produkten verpflichte.